Shakespeares ruhelose Welt
Krieg genannt wurde, endete schließlich mit dem Sieg im Jahr 1603 – erst im letzten Jahr von Elisabeths Regentschaft wurde das mittelalterliche Vorhaben einer Besiedlung Irlands abgeschlossen – zu hohen Kosten: Zwischen 50.000 und 100.000 Menschen starben; über zwei Millionen Pfund waren der materielle Preis – mehr als Elisabeth für die Abwehr der Armada und die Unterstützung der niederländischen Rebellen zusammen ausgab. Als Jakob I. die in Whitehall aufbewahrten Dokumente las, rief er aus: «Wir hatten größeren Aufwand mit Irland als mit der ganzen andren Welt!»
Kapitel Acht
In der Stadt: Zucht und Krawall
Die Mütze eines Lehrlings
E s gibt etwas, mit dem die meisten, die Englisch sprechen, zu kämpfen haben, sobald sie Deutsch, Französisch oder auch andere Sprachen lernen. In diesen nämlich gibt es zwei Weisen, you zu sagen. Man kann das freundschaftlich, informell tun oder aber förmlich und respektvoll: du und Sie, tu und vous . Zur Shakespearezeit hatte man diese Möglichkeit auch im Englischen noch: Elisabethaner zeigten die gesellschaftliche Beziehung zu der Person, mit der sie sprachen, indem sie entweder ein respektvolles you benutzten oder ein vertrautes thou . So wie der junge Mann in diesem Bänkellied, der seine Geliebte mit thou , deren Mutter aber mit you anredet:
«Then mother you are willing
your daughter I shall have:
And Susan thou art welcome
Ile keepe thee fine and brave.»
«So Mutter, seid Ihr einig,
Eure Tochter ich soll haben:
Sei, Susan, mir willkommen,
Dich hüt’ ich gut und achtbar.»
James Shapiro erläutert das:
«Niemand in Shakespeares Tagen hätte in jeder Situation das Wort you benutzt. Sprach man zu jemandem in höherer gesellschaftlicher Stellung, dann war die Anrede you , sprach man aber mit jemandem, der sozial tiefer stand, sagte man stets thee . War man allerdings wirklich zornig, dann konnte man einen höher Gestellten durchaus und bewusst mit thou anreden. Zu den Dingen, die wir wirklich verloren haben, gehört das Gespür für diese feinen Unterschiede.»
Im modernen Englisch sind die hierarchischen Nuancen von you, thee und thou völlig verschwunden. Zwar gibt es die Worte noch, aber sie haben die Kraft verloren, uns durch die Labyrinthe sozialer Interaktion zu führen.
Auch diese Mütze transportiert eine solche verlorene gesellschaftliche Bedeutung: Einem Elisabethaner war geläufig, was mit ihr zum Ausdruck kam, wir Heutigen können das nur schwer entziffern. Diese Mütze war ein Indikator, auch sie ließ erkennen, mit wem man es zu tun hatte. Es ist eine englische Wollmütze aus dem sechzehnten Jahrhundert, eine Art Barett, schokoladenbraun. Gefunden wurde sie vor rund 150 Jahren in Moorfields, London. Ihre Wolle wurde dicht gestrickt und gefilzt, sie wirkt auf angenehme Art eingetragen. Textilien halten der Zeit im Allgemeinen nicht gut stand, sie können Schlüsselobjekte sein, uns physisch Auskunft geben über Lebensweisen der Vergangenheit, meist aber können wir sie nicht bergen und betrachten. Bei den englischen Mützen ist das anders, von ihnen hat sich über die Jahrhunderte eine ziemlich hohe Zahl erhalten, was uns, fürs Erste, einen Hinweis darauf gibt, wie viele es davon gegeben haben muss.
Diese Kopfbedeckung erschließt uns eine ganze Sprache sozialer Differenzierung, zugleich ein System sozialer Kontrolle – beide ausgedrückt in der Kleidung. Das elisabethanische England kannte klare Regeln dafür, wie welche Person sich zu kleiden hatte. Zwischen 1571 und 1597 beispielsweise schrieb ein Parlamentsstatut vor, dass Jungen über sechs Jahre an Sonn- und Feiertagen eine wollene Mütze aufzusetzen hatten. Das Gesetz war ein raffiniertes Mittel, die englische Wollindustrie zu fördern; darüber hinaus aber diente es dem Zweck, soziale Unterschiede zu verstärken, indem man sie sichtbar machte, denn faktisch mussten eben nicht jeder Junge und jeder Mann eine solche Mütze tragen – nur diejenigen, die weder adlig noch von Stand waren. Die «Mützenträger» gehörten zu den niederen Schichten der Gesellschaft, liefen sie barhäuptig, verstießen sie gegen das Gesetz. Shakespeares Onkel Henry, der nicht bedeutend genug war, um als gentleman zu gelten, wurde 1583 wegen eines solchen Verstoßes gegen das Gesetz bestraft.
Jedem in Shakespeares Publikum war das geläufig, und jedermann in dieser Gesellschaft trug eine Kopfbedeckung dieser oder jener Art als Ausweis seiner sozialen Identität; wer sich daran nicht hielt, ließ
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