Shakespeares ruhelose Welt
vieles in der Geschichte, gingen nach seinem Tod auch Dees angelische Botschaften verloren und wurden erst ein Jahrhundert später wiedergefunden: Man hatte sie verwendet, um Pastetenformen auszukleiden, einiges jedoch konnte gerettet werden und blieb erhalten. Aus diesen Fragmenten können wir erkennen, wie hochtheatralisch das ganze Arrangement angelegt war: Die erlesen gekleideten Engel mit ihren Kronen, Szeptern und anderen Requisiten verkündeten bühnenreif mysteriöse Botschaften:
Das hölzerne, mit Leder bezogene Etui für Dr. Dees Spiegel; der Aufkleber trägt die Handschrift von Horace Walpole (1717–97).
«Ich bin der Fürst der Meere: Meine Macht liegt auf dem Wasser. Ich ertränkte den Pharao. … Moses kannte meinen Namen. Ich lebte in Israel. Achte auf die Zeit von Gottes Erscheinung .»
Bei solchen Besuchern erstaunt es nicht, dass Dee zur Berühmtheit wurde. Die Konsultation, so erfahren wir, endete, wenn auf dem Schau-Stein zu sehen war, wie ein schwarzer Vorhang fiel. Die Audienz mit den Geistern war beendet.
John Dee war auch gefeierter Mathematiker, Experte vor allem für Euklid, den antiken Begründer der Geometrie; in den 1580er Jahren wurde er an die Universitäten Paris und Oxford gerufen, um dort mathematische Vorlesungen zu halten. Dennoch war sein Verhalten häufig das eines « Zauberers», und dieses Wort lässt uns sofort an Trug denken; in den Ohren der Elisabethaner jedoch klang dieses Wort eher neutral und meinte jemanden, der sich die Macht zuschrieb, Geister zu beschwören. Uns moderne Köpfe verwirrt diese Mischung von Wissenschaft und Magie, in Shakespeares Tagen allerdings herrschte eine natürliche Affinität zwischen diesen beiden Welten. Professorin Lisa Jardine erklärt dieses Verhältnis:
«Das Wort, das sie dafür hatten, war magus – das war einer, der beides zugleich war, Magier und Wissenschaftler, und zwischen beiden Bereichen gab es tatsächlich keine Grenze. Ein Magus konnte durch Mittel, die unergründlich blieben, Macht ausüben über die natürliche Welt. Insofern war Dr. Dee in einem ganz realen Sinn Magus; vermutlich war er sogar Englands einziger Renaissance-Magus. Hochgebildet, beherrschte er Mathematik, Astronomie, Sprachen – die klassischen Sprachen – und er verband seine Bildung und intellektuelle Schulung mit einer enormen Fähigkeit und auch dem Willen, zu lenken und zu kontrollieren: Er wollte Macht.»
Dee führte Tagebuch über seine Begegnungen mit Engeln, die er in seinen Sitzungen mit Medien und «Schausteinen» beschwor. Diese Seite seiner Conversations with Angels beschreibt seine Begegnung mit dem «Fürsten des Meeres».
In der gebildeten Elite genoss John Dee das gleiche Ansehen wie ein berühmter Wissenschaftler heute, dessen Werk wir bewundern, aber nur andeutungsweise begreifen können. Wenn Physiker und Astronomen heute von Paralleluniversen und negativer Materie sprechen, verfügen nur wenige von uns über das nötige Wissen, um beurteilen zu können, ob solche Vermutungen begründet sind oder nicht. Aber wir akzeptieren, dass diese Wissenschaft den Anspruch erhebt, unsere Welt zu erklären – nicht anders als Shakespeares Zeitgenossen Dees Erklärungen zum Wesen der Sterne und Geister akzeptiert haben.
Elisabeth I. jedenfalls hat diesen Mann ernst genommen. Dee lebte in Mortlake, westlich von London, und die Königin hat ihn dort mehrere Male besucht: Er sollte ihr zum Beispiel ein günstiges Datum für ihre Krönung ermitteln, auch andere Fragen astrologisch klären. Zudem veranstaltete er für sie unterhaltsame Nachmittage, setzte alle seine wissenschaftlichen Fertigkeiten ein, um optische Illusionen zu erzeugen; unter anderem führte er einen Spiegel vor, der, sobald man auf ihn zuschritt, ebenso beunruhigende wie amüsante dreidimensionale Spiegelbilder warf. Dees geschickt erdachte optische Effekte produzierten genau die Reaktion, auf die er aus war: «Ihrer Majestät große Zufriedenheit und Entzücken». Diese Mischung aus High-Tech, High Society, hochgespanntem Übermut und großem Theater war typisch für Dee.
Seine angelischen Konversationen jedenfalls hielt er für die Krönung seiner Karriere, auch wenn einige seiner Zeitgenossen glaubten, sie grenzten bedenklich nahe an Hexerei. Sie fürchteten, er flirte mit dem Teufel; die Kinder in der Nachbarschaft «hatten Angst vor ihm, denn er galt als Zauberer». Lisa Jardine erklärt, welche seiner Taten Dee einen solchen Ruf eintrugen:
«In jungen Jahren brüstete
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