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Shakespeares ruhelose Welt

Shakespeares ruhelose Welt

Titel: Shakespeares ruhelose Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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Lebensmittelpreise begann, endete schließlich mit der Verhängung des Kriegsrechts.
    Zehn Jahre später dramatisierte die Eröffnungsszene von Coriolanus genau einen solchen Aufruhr derjenigen, die nach billigem Mehl verlangten – «Laßt uns ihn umbringen, so können wir die Kornpreise selbst machen.» Jeder unter Shakespeares Zuschauern wird gewusst haben, wie bedrohlich das für die soziale Ordnung war. Sie wussten sicher auch, wie gefährlich so etwas für die Lehrlinge werden konnte: Diejenigen, die politisch das Sagen hatten, waren stets in der Lage zurückzuschlagen. Fünf der Lehrlinge, die am Aufruhr von 1595 beteiligt waren, wurden auf dem Schafott hingerichtet.
    Im nächsten Kapitel werden wir sehen, welche anderen Mittel die Herrschenden fanden, um eine Welt in Aufruhr in den Griff zu bekommen – nicht durch Kriegsrecht und Kleiderordnung, sondern durch die Macht der Magie.



Kapitel Neun
    Neue Wissenschaft, alte Magie
    Dr. Dees magischer Spiegel
    V on Prosperos vielbeschäftigten Helfern in Der Sturm über den sommernächtlichen Klamauk, den Titanias Elfengefolge veranstaltet, bis zu den dunklen Geistern, die Lady Macbeth herbeiruft, auf dass sie aus ihr eine Mörderin machen – Shakespeares Stücke sind voller überweltlicher Erscheinungen, gewöhnlich unsichtbar, aber auch dann häufig wesentliche Träger der Handlung:
«PROSPERO: Geister, die mein Wissen
Aus ihren Schranken rief, um vorzustellen,
Was mir gefällt.»
 
«TITANIA: … Ich gebe Elfen zur Bedienung dir;
Sie sollen Perlen aus dem Meer dir bringen, …
Senfsamen! Bohnenblüte! Motte! Spinnweb!»
 
«LADY MACBETH: Kommt, Geister, die ihr lauscht
Auf Mordgedanken, und entweibt mich hier;
Füllt mich von Wirbel bis zur Zeh’, randvoll,
Mit wilder Grausamkeit!»
    In jedem Fall werden Nähe und Einfluss einer Geisterwelt für gegeben erachtet. Gregory Doran von der Royal Shakespeare Company beschreibt, welchen Einfluss diese übernatürlichen Wesen in der Shakespearezeit hatten:
«Es war eine Gesellschaft, die an Geister glaubte, sich vor ihnen fürchtete, sich auch der Nähe des Teufels bewusst war. Selbst wenn solcher Glaube an Geister und Feen im Schwinden war, ihre Beschwörung auf der Bühne konnte die Menschen gleichwohl überraschen und erschrecken.»
    Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts war das Einspannen unsichtbarer Geisterkraft etwa das gleiche wie die Bändigung der unsichtbaren Kraft des Windes. Beides war kompliziert, was herauskam, ließ sich nicht berechnen, doch wem es gelang – man denke an die technische Verbesserung der Schiffssegel –, dem lagen die Welt und ihr Reichtum zu Füßen.
    Zugang zu finden zum Reich der Geister aber war ein ganzes Stück kniffliger, verlangte deutlich mehr als die Verbesserungen der Schifffahrt. Einer der wirkungsvollsten Wege, sich ihm zu nähern, war der Gebrauch magischer Objekte. Eines davon wird nun im British Museum aufbewahrt: eine runde Scheibe aus hochpoliertem schwarzem Stein, etwa in der Größe eines Desserttellers, aber mit rund 880 Gramm deutlich schwerer. Und dieser Spiegel soll einem der zur Shakespearezeit berühmtesten Meister der Schwarzen Kunst gehört haben: Dr. John Dee. Aus Obsidian, einem schwarzen Vulkangestein, gefertigt und gründlich poliert, ist es ein seltsam auratisches Objekt: Man traut sich kaum, es in die Hand zu nehmen. Mit schmeichelnder Oberfläche schimmernd, wirkt es wie etwas Modernes, industriell Gefertigtes, ist aber mindestens ein halbes Jahrtausend alt. An der Spitze hat es einen Höcker, durch den ein Loch gebohrt ist. Mit einer starken Schnur könnte man diese schwarze polierte Scheibe aufhängen, zu welchem Zweck auch immer.
    John Dee war vor allem bekannt durch das, was er seine «Schau-Steine» nannte, spiegelnde Objekte, in denen er, Gebete und Optik verbindend, Engel beschwören und mit ihnen reden konnte. Davon, dass er Engel, seine «Lehrmeister», wie er sie nannte, um Rat ersuchen müsse, wenn er die natürliche und übernatürliche Welt vollkommen verstehen wollte, war Dee überzeugt. Doch so sehr er sich mühte, es gelang ihm nicht, direkten Kontakt zu den Engeln aufzunehmen – er brauchte ein Medium, einen Mittler. Deren berühmtester war sein Assistent, der Astrologe Edward Kelley – eine Gestalt, die man heute als den eigentlichen Scharlatan in Dr. John Dees Geisterspektakel betrachtet. Wirkte er mit, erwiesen sich die Engel als betörend mitteilsam, und Dee zeichnete ihreGespräche in seinen «angelic diaries» auf. Wie

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