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Shakespeares ruhelose Welt

Shakespeares ruhelose Welt

Titel: Shakespeares ruhelose Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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eine neue politische Welt geboren war. Doch war überhaupt nicht absehbar, wie die Dinge sich verändern würden. Shakespeare und Fletcher lassen ihren Erzbischof Cranmer prophezeien:
«CRANMER: Wo nur des Himmels helle Sonne scheint,
Da glänzt sein Ruhm, die Größe seines Namens,
Und schaffet neue Völker; er wird blühn
Und weit, wie Berges Zedern, seine Zweige
Auf Ebnen strecken. – Unsre Kindeskinder,
Sie sehn, Gott preisend, dies.»
    Doch diese neue Nation zu schaffen, erwies sich als äußerst schwierig. Lange Zeiten in den vorangegangenen 300 Jahren hatten England und Schottland gegeneinander Krieg geführt; sie hatten unterschiedliche politische und Rechtssysteme, eine unterschiedlich verfasste Kirche, unterschiedliche Währungen, getrennte Parlamente und eine lange Geschichte ausgeprägter Abneigung und tiefen Misstrauens gegeneinander. Jakobs oberstes Bestreben war, aus diesen einander sehr fremden Ländern einen Staat zu machen, einen Staat mit neuem Namen: Großbritannien.

    James Gordon (1617–1686), Der königliche Palast Holy Rood-Hous , Stich. In diesem Palast aus dem 16. Jahrhundert, seiner Edinburgher Residenz, erfuhr Jakob VI. am 26. März 1603 von Elisabeths Tod und seiner Nachfolge auf den englischen Thron.
    Die Nachfolge Jakobs VI. auf dem englischen Thron 1603 schuf eine dynastische Union, eine Personalunion politischer Macht, aber keine Vereinigung der Kronen in konstitutioneller, rechtlicher, kirchlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht. Sie zusammenzuschweißen war Jakobs politisches Ziel. In vielerlei Hinsicht war die Zeit nicht schlecht für das ehrgeizige Projekt, eine Nation zu schaffen. Vorausgegangen war ein halbes Jahrhundert ununterbrochenen Friedens zwischen Schottland und England (von den üblichen Grenzscharmützeln abgesehen) und einer wachsenden Einsicht, dass beide Länder trotz ihrer blutigen Geschichte eine gemeinsame Sprache und den protestantischen Glauben miteinander teilten.
    1604 entwarf Jakob den Rahmen für eine rechtliche und politische Union, eingeschlossen den Freihandel in gewissen Grenzen, die Aufhebung bestimmterGesetze für die schottischen Grenzländer, die nun als «Mittlere Grafschaften» bezeichnet wurden, und die Naturalisierung der schottischen Untertanen, die in England lebten. John Morrill von der Universität Cambridge erläutert:

    John de Critz, Jakob I. von England und Jakob VI. von Schottland , Portrait 1604. Diesen englischen Maler flämischer Herkunft hat Jakob I. 1603, kurz nach seiner Thronbesteigung, zu einem seiner «Sergeant-Painter» bestellt.
«Ursprünglich drängte Jakob auf eine umfassende Union: politisch, wirtschaftlich und religiös-kirchlich. Doch bald musste er einsehen, dass der Widerstand dagegen zu groß war, also schlug er vor, was er die ‹Union der Herzen und Köpfe› nannte. Das Problem bestand darin, dass die Engländer gemeinsame Institutionen für die ganze Insel schaffen wollten, so dass es nur ein Parlament, ein Rechtssystem und eine Kirche geben würde. Die Schotten dagegen zogen eine föderale Struktur vor, in der beide Länder unabhängige Institutionen beibehielten, doch solche, die zusammenarbeiteten, mit neuen Mechanismen in einer wachsenden Kooperation. Im Grunde haben die Schotten der Integration stets Dezentralisierung vorgezogen. Sie wollten stets ihr eigenes Recht und ihre besondere Spielart des Protestantismus bewahrt wissen.»
    Die vollständige Union, die Jakob vorschwebte, war unmöglich ohne Gesetzgebung, und das verlangte die Zustimmung beider Parlamente. Die ausgehandelten Vorschläge wurden vom Schottischen Parlament (das nur eine Kammer hatte, in der mehrheitlich Kronvasallen saßen, und die in der Regel dem König folgte) 1607 gebilligt, doch war diese Entscheidung auch von der Zustimmung des englischen Parlaments abhängig. Der schottische König musste rasch erkennen, dass das weniger unterwürfige englische Parlament nichts davon hielt, und der Vertrag kam nicht zustande.
    Einiges jedoch konnte Jakob auch ohne Parlament bewirken. Er konnte seine königlichen Hoheitsrechte nutzen, um der Union zumindest symbolische Realität zu geben, durch die, wie es hieß, «äußeren Zeichen der Regierung». Er ließ eine neue 1-Pfund-Münze ausgeben, die er den «Unite» nannte. Auch seinen Titel änderte er in «König von Großbritannien» – einige seiner Gefolgsleute drängten gar, er möge sich «Kaiser von Großbritannien» nennen, das allerdings ging ihm wohl zu weit. Berühmt wurde er mit

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