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Shakespeares ruhelose Welt

Shakespeares ruhelose Welt

Titel: Shakespeares ruhelose Welt
Autoren: Neil MacGregor
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verräterische katholische Konspiration begriffen, in die Jesuiten, der Papst und der König von Spanien verwickelt waren. Eine heftige Verfolgung von Jesuiten und im Untergrund wirkenden katholischen Priestern setzte ein; wer ins Netz ging, wurde zu grausamen exemplarischen Strafen verurteilt. Unter diesen Opfern war auch Edward Oldcorne, hingerichtet bei Worcester am 7. April 1606. Verräter wie er wurden gehängt und vom Strick geschnitten, bevor sie richtig tot waren – manche noch bei Bewusstsein –; es wurde ihnen der Leib aufgeschlitzt, die Eingeweide herausgerissen, der Körper anschließend gevierteilt, buchstäblich in Stücke gehackt. Wie es bei solchen Gelegenheiten zuging, lässt sich dem Bericht von der Hinrichtung John Ballards im Jahr 1596 entnehmen, ebenfalls ein angeblicher Verschwörer:
«Ballard, der Priester, war der erste Anstifter dieser Verschwörung und darum auch der erste, der gehängt wurde, sodann abgeschnitten (wie es das Urteil verfügte) und aufgeschlitzt, sein Leib aufgerissen, seine Eingeweide und sein verräterisches Herz herausgenommen und ins Feuer geworfen, sein Kopf (von den Schultern getrennt) wurde dann zum Erschrecken auf einen Spieß gesteckt, und der Rumpf seines Körpers gevierteilt und im eigenen Blut gebadet, sodass auch die Hände des Scharfrichters besudelt waren und einige der Umstehenden bespritzt (gewiss zu deren großem Unwillen, aber es war ihnen um ihr Leben nicht möglich, das zu vermeiden, so dicht stand die Menge). … Nun, nachdem diese Schlangenbrut in Stücke gehauen war, ihre Tigerherzen im Feuer verbrannt und so der Spruch des Gesetzes erfüllt: Da wurden ihre Köpfe und Viertel in Körben fortgebracht, um auf Stangen gesteckt zu werden und über den Toren Londons aufgestellt, so dass alle Welt den gerechten Lohn der Verräter sehen könne.»

    Edward Oldcorne , Stich eines unbekannten Künstlers, 1608. Bilder und Reliquien hingerichteter Priester wie Oldcorne und Henry Garnet schufen für die englischen Katholiken einen neuen Katalog von Märtyrern.

    Köpfe hingerichteter Verräter wurden aufgespießt und auf der London Bridge aufgereiht zur Schau gestellt; wer über die Brücke zu den Theatern ging, musste sie passieren. Abraham Hogenberg, Einblattdruck zum Gunpowder Plot (Ausschnitt), Köln 1606 .
    Diese brutalen Hinrichtungen sollten potentielle Verschwörer abschrecken, unausweichlich aber entflammten sie auch die katholischen Mitbrüder und Schwestern. Irgendwie muss es einem Sympathisanten nach Oldcornes Exekution gelungen sein, dessen Auge als Reliquie zu retten. Für die Behörden war Oldcorne ein Verräter, für seine Mitkatholiken aber ein Märtyrer, dessen sterbliche Reste bewahrt werden mussten und Verehrung verdienten. Zur Zeit des Gunpowder Plot versuchten die Behörden aktiv zu verhindern, dass Katholiken Kleidungsstücke oder Körperteile an sich nehmen und damit der Hinrichtung von Priestern gedenken konnten: Die Körper wurden von nun an völlig zerstört. Jan Graffius erläutert, was eine solche Reliquie für die Gläubigen bedeutete:
«Sie wären zum Zeugnis für den Mut dieser Priester geworden, die in England im Untergrund arbeiteten, zu einem mächtigen Ansporn: Jesuitenpriester, die in England gedient hatten und denen es gelang, unbehelligt nach Europa zurückzugelangen, haben sich oft selbst für unwürdig erklärt, die Krone des Märtyrertums zu tragen. Selbst wenn sie es nicht darauf anlegten, der Märtyrertod galt als eine große Ehre.»
    Stonyhurst College verwahrt weitere Reliquien, die mit englischen Märtyrern des siebzehnten Jahrhunderts verbunden sind. So gibt es beispielsweise eine perlenbesetzte Dose aus dem späten sechzehnten Jahrhundert, deren Äußeres uns keinen Hinweis gibt auf das, was sie enthält. Es ist, wie Jan Graffius erläutert, der Schulterknochen eines Menschen:
«Man sieht, wo ihn eine Klinge durchtrennt hat, eine sehr scharfe Klinge. Das geschah bei der Vierteilung. Der bräunliche Stoff, der [an dem Knochen] haftet, ist menschliches Fleisch, Haut und Muskeln eines jungen Mannes; mit drei anderen war er in Frankreich zum Priester ausgebildet worden; sie gingen dann in Durham an Land, und schon hatten sie Pech. Sie haben sich nicht verkleidet, waren überhaupt sehr unerfahren, sodass es nur wenige Wochen dauerte, bis sie festgesetzt und hingerichtet wurden. Anschließend war irgendwer mutig genug, die Scharfrichter zu bestechen, so dass sie ein Körperteil herausgaben oder verrieten, wo die
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