Shaman Bond 04 - Liebesgrüsse aus der Hölle
nicht. Selbst Nulltoleranz wollte die Familie nicht riskieren! Ich hätte geschworen, dass so etwas unmöglich ist, aber jetzt, nach dem Tod der Matriarchin und Mollys, weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll. Es ist, als hätte man die Welt auf den Kopf gestellt. Man kann niemandem und nichts mehr trauen.«
Er fand einen anderen Stuhl und setzte sich neben mich. Sein Rücken war immer noch gerade, aber seine Hände bewegten sich unsicher, nicht in der Lage, ruhig zu bleiben, und seine Augen sahen seltsam verloren aus.
»Das ist ernst, Eddie. Tödlich ernst. Wir hätten verlieren können da draußen. Wir hätten fallen und die Familie ausgelöscht werden können.«
»Aber wir sind nicht gefallen, und wir wurden auch nicht ausgelöscht«, sagte ich. »Weil wir Droods sind.«
Wir saßen da und sahen zu, wie eine lange Schlange von Leichen auf Bahren durch die Waffenmeisterei in die angeschlossenen Krankenhausräume getragen wurde. Tote Beschleunigte auf dem Weg zu ihrer Autopsie und Untersuchung. Die meisten Leichen waren in ziemlich schlechtem Zustand; ausgetrocknet, verwelkt, beinahe mumifiziert. Andere waren von der goldenen Rüstung niedergeschlagen und zerrissen worden, und diese Körper hinterließen blutige Spuren. Einige bestanden nur noch aus Einzelteilen, grob auf den Bahren zusammengewürfelt, andere waren nur Stückchen und Klumpen, die man in Plastikmülltüten zusammengesucht hatte. Ein Teil von mir fand das absolut passend. Ich hatte keinen Platz mehr in mir für Mitgefühl oder Gnade. Wenn wir die Toten hätten wiederbeleben können, hätte ich wieder den ganzen Tag damit zugebracht, sie erneut zu töten, und hätte es genossen. Ich schüttelte langsam den Kopf. Das war nicht ich. Das war die Müdigkeit. Die Träger der Bahren gingen immer noch an uns vorbei, mehr und mehr.
»Wie viele sind gestorben?«, fragte ich den Waffenmeister. »Wissen wir das schon?«
Auf der Stelle schob jemand dem Waffenmeister eine Mappe in die Hand, und er blätterte sie langsam durch. »2718 tote Beschleunigte. Wir werden wohl den extradimensionalen Krankenhausflügel öffnen müssen, wenn wir sie alle unterbringen wollen. Ich habe angeordnet, dass jeder Einzelne von ihnen hier runtergebracht wird, mit allen Sicherheitsmaßnahmen.
Wer weiß schon, mit welchen chemischen oder bakteriellen Mitteln sie für einen letzten Angriff auf die Unvorsichtigen infiziert sind? Wir werden kein Trojanisches Pferd hier reinlassen. Ich will, dass diese Körper bis in die kleinsten Teile auseinandergenommen werden, damit sie auch wirklich jedes Geheimnis preisgeben, das sie bergen. Wir brauchen Antworten auf die Beschleunigten, bevor sie wiederkommen.«
Ich sah ruckartig von meinem Tee auf. »Du glaubst, es wird einen weiteren Angriff geben? Noch eine Invasion?«
»Warum, glaubst du, dass ich jeden anbrülle, die Verteidigungen wieder online zu kriegen? Bis dahin sind wir verwundbar. Die ganze Familie ist verwundbar.«
»Wie viele haben wir verloren?«, fragte ich. »Wie viele Droods sind da draußen gestorben?«
»238 bisher. Über 400 sind lebensgefährlich verletzt und noch einmal so viele schwer. Und ständig kommen neue Zahlen herein. Sie sind oben im Haupttrakt des Krankenhauses. Die Lebenden und die Toten. Ich wollte unsere ehrenhaft Gefallenen nicht neben dem Abschaum liegen haben.«
»Beschleunigte«, sinnierte ich. »Ich hätte nicht gedacht, sie je wiederzusehen.«
»Wenn man bedenkt, wie sich diese Beschleunigten verhalten haben, mit ihrer wahnsinnigen Wut und Wildheit, scheint mir, als hätte Doktor Delirium mit der Formel experimentiert. Sie verbessert - und ja, ich erkenne diese schwarz-goldene Uniform.«
Ich sagte ihm, was ich in Doktor Deliriums Basis herausgefunden und erfahren hatte, und er saß eine Weile schweigend und nachdenklich da. »Jede Antwort führt uns nur zu noch mehr Fragen. Angenommen, Doktor Delirium und Tiger Tim haben alle Leute getötet, die sie hinter sich ließen - möglicherweise als Testlauf für die neue, verbesserte Droge -, wo haben sie dann die Tausende von neuen Subjekte gefunden, die uns angegriffen haben? Doktor Delirium hätte diese Armee nicht ausheben können, ohne dass wir das bemerkt hätten. Es sei denn, der Verräter hat an unseren Aufzeichnungen herumgepfuscht.
Ich hasse das, Eddie. Ich hasse das wirklich. Ich sehe mich um, sehe all die bekannten Gesichter und habe das Gefühl, ich kenne sie gar nicht. Jeder von ihnen könnte ein Verräter sein. In einer sich ständig
Weitere Kostenlose Bücher