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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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vorweisen kann außer einem Haufen haltbarer Konsumartikel. Oder, wie mein Freund Harmony sagen würde: »Er ist ein Hülsenmensch geworden: funktionsfähig, aber ohne Seele.« Vielleicht könnte diese Theorie die Aura von gezwungener, unbedingter Pseudo-Heiterkeit um jeden Preis in der Nähe meiner Großeltern erklären, einer Heiterkeit, die immer so wirkt, als feiere man eine Party bei jemandem, dessen Mutter vor kurzem gestorben ist.
    Das letzte - und einzige - Mal, daß Großmama und Großpapa wirklich Zeit mit uns verbrachten, war vor fünf Jahren, als sie eine Zeitlang bei uns wohnten. Dies geschah, nachdem sie aus Brasilien zurückgekehrt waren und feststellen mußten, daß während des gesamten Urlaubs die Tür des Tiefkühlraums offen gestanden hatte - vorgekochte Mahlzeiten für drei Monate sowie mehrere vollständige Tierkadaver waren verrottet und hatten einen fast sichtbaren Gestank nach Erbrochenem und Verwestem entstehen lassen, der über ihrem Haus in Onion Slopes aufstieg, als sie zur Lüftung des Baus die Plexiglas-Oberlichter öffneten.
    Vier Wochen Umbau, Ausräuchern und nach Zimt duftende Geruchsmasken machten das Haus wieder bewohnbar. (Daisy schlug den Großeltern vor, sie sollten einfach eines dieser Raumsprays benutzen, deren Funktion darin besteht, deine Nase zu betäuben, so daß du den Geruch nicht mehr wahrnimmst. »Irgendwie Dans Persönlichkeit ähnlich«, fügte ich hinzu, und das veranlaßte Jasmine, mich auf ein Wochenendseminar über Eltern-Kinder-Beziehungen - Der Sohn in mir - zu schleppen.)
    Ich erwähne diese Geschichte, um zu zeigen, daß in meinem Verhältnis zu Großvater niemals eine erzwungene, ortsgebundene Vertrautheit zugelassen wurde wie etwa bei Leuten, die in Hütten und Höhlen wohnen. Zwischen uns ist nun schon so lange eine Distanz aufrechterhalten worden, daß Großvater, sollte ich versuchen, eine emotionale oder irgendeine andere Form von Nähe herzustellen, wahrscheinlich sagen würde: »Tyler, was für'n Rührstück. Da mach dir mal keine Umstände«, doch Großvater würde diese Ausdrücke auch gar nicht kennen; seine Generation denkt anders. Aber dieses Gefühl würde er schon noch haben.
     
    Was Großmutter angeht, sie hört auf Großvater. Wenn du mal einen Blick auf die Todesanzeigen in den Zeitungen wirfst und von all den Frauen namens Edna und Mavis und Ethel liest, zu der Generation gehört sie. Als wäre sie ungefähr zweihundert Jahre alt. Sie wurden nicht wie Anna-Louise dazu erzogen, selbst zu denken. Einmal sagte mir Großmama (Doris) in einem fast undenkbaren Ausbruch von Vertraulichkeit, sie sei erschrocken darüber, wie tief sie die meisten Dingen beeinflußten, die ihr erst kürzlich untergekommen seien: Fernsehshows, Zeitschriften, Gespräche... »Neue Dinge scheinen die alten förmlich auszulöschen, so wie neue Landschaften die alten Landschaften in den Hintergrund treten lassen, wenn du die Landstraße entlangfährst. Und steck bitte eine Zigarette für mich an, okay, Baby. Wenn ich erst im Himmel bin, werde ich nach all diesen Dingen nicht mehr süchtig sein.« Paff, paff.
    Großpapa nimmt Aspirin für sein Herz - zwei am Tag, und immer hat er eimerweise davon in Reichweite. Jedesmal, wenn ich ihn besuche, bekomme ich Stress-Kopfschmerzen, also schlucke ich zwei dieser Aspirintabletten. Mark stellt fest, daß ich die Tabletten, die er für sein Herz braucht, für den Kopf einnehme. »Vielleicht ist das der Grund, warum ihr euch nicht mögt.«
    Unabhängig davon denke ich immer noch, daß Großpapa einfach geizig ist und wir Kinder ihm völlig egal sind. Ich meine, haben nicht alle lebenden Organismen einen eingebauten Mechanismus, der den Wunsch sichert, die Jungen vor ihrer eigenen Verdorbenheit zu schützen - etwa so wie Kaninchen in ihrem unterirdischen Bau keine Köteln rauslassen. Sondern wir Menschen nicht Enzyme ab, die dafür sorgen, daß ältere Menschen jüngeren helfen wollen?
     
    »Hallo Kinder! Kommt hierher!« jodelt Großmama und schwenkt einen Ring, dem man sogar vom Eingang des Restaurants her ansieht, daß er auf einem Fernseh-Einkaufskanal unter einer l-900er Nummer gekauft wurde. Näher dran, kommen wir in den Genuß der vollen Wirkung: Großmama mit ihrer ingwerfarbenen Perücke raucht ihre Mentholzigaretten mit geringem Teergehalt, Großvater unter seinem Toupe trommelt mit den Eßstäbchen gegen seine Tasse mit entkoffeiniertem Kaffee; sein Körper ist inzwischen so rundlich geworden, daß er das rechte Bein nur

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