Shampoo Planet
aufgerissenes T-Shirt mit psychedelischem, fluoreszierendem Mandelbrot-Muster. Sogar vor den Dreadlocks fand Großvater Murray schon unausstehlich und konnte sich für seine Enkelin keinen ungenießbareren Freund vorstellen.
Ich glaube, das Problem zwischen Murray und Großvater besteht darin, daß Murray annimmt, zwar irrtümlicherweise, dafür aber voller Enthusiasmus, Großvater sei, da er am Bau der Anlagen beteiligt war, ebenfalls an der Diskussion um die Schließung der Anlagen und um die nachfolgende Säuberungsaktion interessiert, die mit Hunderten von Jahren Arbeit angesetzt wird und die gesamten Steuerdollars der nächsten sechs Generationen verschlingen wird. Murray hält auf quälerische Weise an diesem Thema fest. »Haben Sie schon die letzte Neuigkeit aus den Anlagen gehört, Mr. Johnson?«
»Nein, Murray. Erzähl sie mir.«
»Man hat festgestellt, daß der Boden dort so verseucht ist (ooh, gib mir einen von diesen leckeren Klößen...) und die Gefahr, das Gift könnte in den Columbia River durchsickern, so groß ist, daß man daran denkt, den Erdboden um die Anlagen mit speziellen Chemikalien in Glas zu verwandeln.«
»In Glas?« fragt Mark.
»Ja. In einen soliden Glasblock über Hunderte von Kubikmeilen. Man nennt diesen Prozeß Vitrifikation.« »Cool!«
Dann fängt Murray an, verschiedene Dinge, die man im Boden neben den Anlagen im Laufe der Jahre vergraben hat, einzeln aufzuzählen: tote Hunde, die man für Strahlungsexperimente benutzt hat, Mülltransporter, Overalls, Fenster...
»Ich schätze, ihr fragt euch alle, worin die heutige gute Neuigkeit besteht«, wechselt Großvater unverblümt das Thema. Wie die meisten aus der Bande der Spaßvögel, die die Anlagen gebaut haben, will Großvater lieber sterben oder sein Gehirn in Haferbrei verwandelt wissen, ehe es allzu offensichtlich wird, was für einen Alptraum er und seine Kumpels ihren Nachkommen aufgehalst haben.
»Die gute Neuigkeit - eine Neuigkeit, die das Leben von euch allen verändern wird - befindet sich hier in dieser Schachtel«, sagt er und stellt mitten auf den Tisch eine Pappschachtel, die ich nicht auf dem Fußboden hatte stehen sehen. »In dieser Schachtel«, verkündet er, »ist die Zukunft.«
Die Zukunft? Mein Kopf glüht bei dem Gedanken, was diese Schachtel alles enthalten könnte - nie wieder werde ich mir sorgenvoll Gedanken darum machen müssen, was die Zukunft wohl bringen wird. Was könnte in der Schachtel sein ... eine Graugans? Eine Maschine? Wolken? Goldmünzen? Ein pastellfarbenes Monster? Wir alle halten den Atem an.
»Was ich hier in dieser Schachtel habe, wird uns reich machen«, fährt Großvater fort. »Aber bevor ich den Inhalt enthülle, möchte ich, daß ihr an Macht und Gelegenheiten und Arbeit denkt.« Großvater fährt mit seinem Blabla fort und klingt für mich beeindruckend wie Mr. Frank E. Miller von der Firma Bechtol. Nach einigen Minuten dieses inspirierenden Vorspiels nimmt Großvater mit der ganzen Affektiertheit eines hochnäsigen Kellners den Deckel ab und enthüllt eine kleine, samtüberzogene Plattform, auf der etwas zur Schau gestellt ist, das etwa so aussieht wie ein Dutzend verschiedener Sorten Katzenfutter in Dosen.
Jasmine sieht etwas zerknittert aus; Großmama strahlt. Der Spannungsabfall ist fast körperlich spürbar.
Anna-Louise beugt sich herüber und flüstert mir ins Ohr: »Das ist so surrealistisch, daß ich glaube, ich verwandele mich gleich in eine zerschmelzende Uhr.«
14
»Ich verstehe Großpapa nicht. Ihr sagt dauernd, wir sollen ausschwärmen und Vertreter für den Verkauf finden, die unter unserer Aufsicht arbeiten. Wann verkaufen wir denn nun tatsächlich das Katzenfutter selbst?« Frank E. Miller würde stolz auf mich sein.
»Dies ist kein Katzenfutter, Tyler. Wie oft soll ich dir das noch sagen. Es ist das KittyWhip Kat Food System. Das System. Du verkaufst nicht einfach Katzenfutter, du verkaufst das System.«
»Ich verstehe, aber wer verkauft denn die Futterdosen, na ja, wohl von Haustür zu Haustür. Ich verstehe nicht, wo entsteht denn dabei der Reichtum?«
Großvater seufzt. »Tyler, ausgerechnet du mit deiner Verkaufserfahrung mit den Uhren solltest begreifen, wie der Aufbau eines Vertreternetzes für den Verkauf vor sich geht. Fünf Vertreter verkaufen für dich, für die wiederum jeweils fünf Vertreter verkaufen und so weiter und so weiter. Und du erhältst einen Anteil an all ihren Verkäufen.«
»Eine Pyramide?«
»Eine Kette.«
»Aber
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