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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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hervorsprießen. Europa erschien mir wie ein Ort, an dem die Zukunft schneller vorankam als in Lancaster, und ich liebe die Zukunft, also war alles klar. Auf in den Spaß!
    Aber nach drei Wochen Europatour auf Schienen war Europas Modernitätspatina beträchtlich stumpfer geworden. Europa versucht so modern zu sein, aber alle Anstrengungen gehen irgendwie ... na ja, in die Hose. Deutschland ist, und das macht dem Land alle Ehre, hightech-mäßig entwickelter als das Innere eines CD-Players, aber die Bahnsteigtoiletten ähneln eher einem Folterinstrument der Inquisition. In Frankreich hat man noch nie davon gehört, Sonntags einkaufen zu können. Und in Belgien sah ich einen Atomkraftwerkskühlturm, auf dessen konvexer Nordseite Moos wuchs. Modern?
     
    Beim genaueren Ansehen meiner Europa-Schnappschüsse fiel mir ein Trend auf, den ich, als ich drüben war, übersehen hatte. Der Trend sind Firmenlogos, die sich still und leise in mein Gedächtnis eingeprägt haben. Amerikanische Pizzakonzessionen erstrahlen hinter lächelnden grobknochigen Duos australischer Lehrerinnen namens Liz. Cowboy-Zigaretten und Kurier-Transporter bilden den Hintergrund für Trios reisemüder Studenten im zweiten Semester aus Ontario. Auf dem T-Shirt-Rücken mit Eurorail umherzockelnder Studenten befinden sich die Logos von Kamerafirmen und Computerherstellern. Am surrealistischsten von allem sind die »Cola-Totems« - zylindrische Poster-Pranger, beklebte, Coladosen ähnliche Litfaßsäulen, eingebettet in die verschlafene, drogen- und pudelscheißegeschwängerte Kanallandschaft Amsterdams, wo Millionen Injektionsnadeln verkrustet in der olivgrünen Schlammschicht unterhalb der Wasseroberfläche liegen und wo sich nachts hohe, schmale, durch enge Gassen getrennte keksdünne Häuser in den schwarzen Himmel aufzulösen scheinen. Seltsam, daß ich diese Firmenzeichen nicht einmal bemerkte, als ich drüben war, aber jetzt, wo ich zu Hause bin, gibt es keine Möglichkeit mehr, sie aus meinem gebundenen Erinnerungsalbum herauszureißen.
     

21
     
    Zu guter Letzt ratterte ich sechs Wochen vor meinem planmäßigen Rückflug in einem Zug südwärts von Dänemark nach Paris, ließ meinen Reisepaß mit noch einem Stempel versehen (Belgien: ein rotes Dreieck) und verdrehte die Augen über einem weiteren knochentrockenen Schinkensandwich aus dem Speisewagen und einer Dose Orangenbrause, auf der Anleitungen zum Öffnen in vierzehn Sprachen standen. Kiwi und ich tauschten uns mit einem Paar aus Texas über Unterkünfte aus, und wir alle vier sehnten uns dringend nach einem Haarschnitt, einem heißen Bad, PABA-Lotion und Multivitaminkapseln.
    Dann las ich Daisys Brief, der mir über American Express in Kopenhagen zugestellt worden war. Die Briefmarken auf dem Umschlag waren verkehrtherum aufgeklebt, und darin befanden sich ein Nasenring (ab jetzt trägt man Nasenring!) sowie Marks Kühlschrankzeichnung von den Anlagen, die mir einen Stich gab, so daß ich mich unbeschreiblich müde, einsam und krank vor Heimweh fühlte. In ihrem Brief bat mich Daisy, eine Blume von Jim Morrisons Grab in Paris zu klauen, und ganz am Ende schrieb sie nach einer beträchtlichen Portion Tratsch und Klatsch unter P. S.:
     
    Mark hat eine Sommererkältung, und er hat die Briefmarken auf diesem Umschlag mit seiner Zunge angeleckt. Ich hoffe, du wirst davon nicht krank. D.
     
    Draußen vor dem Zug nieselte es, und der Himmel erstreckte sich farblos und finster über der kabbeligen Nord Zee, und wir vier in unserem Abteil hatten die Lust am Reden verloren, saßen schläfrig und still da und rollten nutzlos durch die Welt. Etwas später erblickte ich etwas, das sich mir als Tiefpunkt meiner Reise einprägte. Ich sah ein kaltes, diesiges blaßgelbes Endivienfeld, das ostwärts der Schienen anstieg, und auf dessen Spitze ein rotes Backsteinhaus aus dem 17 oder 18. Jahrhundert stand - völlig isoliert und nicht einmal mit einem Busch, geschweige denn einem Baum in der Nähe.
    Nun ist ein Haus auf dem Felde an und für sich natürlich nichts Ungewöhnliches, was mir aber so besonders an diesem speziellen Haus auffiel, waren die daran vorgenommenen Veränderungen. Aus mir unerfindlichen Gründen waren alle Türen und Fenster des Hauses durch Auspuff-Jalousien ersetzt worden, und das Haus stieß durch diese Öffnungen schwachen Dampf aus, der nach unten und über die Felder waberte. Aber woher kam dieser Dampf? Vor meinem geistigen Auge erschien das Bild eines Atomkraftwerks außerhalb

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