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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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vor Energie hervor, atme gierig den Wind ein, versuche Vögel zu fangen und fühle mich so lebendig, daß ich kaum Luft bekomme.
    Ich war mir nicht sicher, ob mir ein europäischer Friedhof dieselbe Reaktion entlocken würde, als ich den riesigen Pere-Lachaise-Friedhof im Nordosten von Paris betrat, ihn betrat durch das Steintor, das eine völlig andere Galaxie umfaßte, eine Galaxie voller umherschweifender, schwarzgekleideter Witwen, kurz angebundener Tanten, fußlahmer Neunzigjähriger, voller gestutzter, wie freudlose Ausstellungshunde wirkender Bäume, über denen sich ein dampfender Mittsommerhimmel zu einem eventuellen Gewitter zusammenbraute. Tote Blumen lagen über elegant gemeißelten Grabsteinen verstreut. Der Verkehrslärm war verschwunden, und ich war von allen Seiten eingezwängt zwischen viereckig geschnittenen Hecken voller Blüten, die ich nie zuvor gesehen hatte. Ich fühlte mich lustlos. Die Steine, die ich mit meinen Wüstenstiefeln anstieß, kullerten träge zur Seite und verursachten immer weniger Geräusche, je tiefer ich in den Friedhof hineinspazierte; aller Lärm war entweder gedämpft oder verhallt, so wie damals, als ich mit Anna-Louise in British Columbia im Wald war; Paris war bereits aus meinem Gehirn herausgefiltert und durch das Gas ersetzt worden, von dem soviel in der Luft enthalten ist, das aber so wenig bewirkt: Argon.
    Ich fand mich vor dem Grabstein Oscar Wildes wieder, und da keine Leute in der Nähe waren, zog ich mein T-Shirt aus und sonnte mich an den Stein gelehnt, nutzte jeden Strahl, dessen ich unter der diesigen Sonne habhaft werden konnte. Mein Heuschnupfen ließ mich schnüffeln; ich drehte meinen Kopf herum und leckte an dem staubigen Stein. Gelegentlich überrasche ich mich selbst.
    Ein Regentropfen fiel auf meinen angespannten Hals. Ich fühlte mich verloren in einem Raum, in dem der Fluß der Zeit nicht fließen darf, wurde aber von einer alten Tante geweckt, die herbeihumpelte und bei den Hecken kreischte, zweifellos immer noch um Familienangehörige trauerte, die sie in einem lange zurückliegenden und sinnlosen europäischen Krieg verloren hatte.
    Im Zick-Zack machte ich mich auf den Weg quer über den Friedhof, um eine Blume von Jim Morrisons Grab zu ergattern, wobei ich gar keine Wegkarte brauchte, sondern einfach den Kids folgte, die mir begegneten: Einige verschlampt, andere schick, geschniegelte und durchschnittlich gekleidete, die meisten aus der Neuen Welt, oftmals bekifft und still und in seltsamem Kontrast zu der Friedhofsstimmung der Alten Welt, wirkten sie inmitten dieser alten Kitschmale haarsträubend fehl am Platz und ähnelten eher Comic-Zeichnungen von Vogel-Straußen in Tutus, die schnatternd und rempelnd an einem Regentag auf eine Beerdigung gehen.
     
    »Das bringt wieder irgendwie Spaß in die Beerdigungen, findet ihr nicht?« fragte Mike, ein Typ in meinem Alter aus Urbana, Illinois, der einen Joint im Boden neben Morrisons Grabstein vergrub. Neben ihm malte ein Trio aus Colorado kanadische Flaggen auf ihren Rucksack, die sowohl als antiterroristische Talismane dienen als auch den freien Eintritt zur Saint-Jean-Baptiste-Feier gewähren sollten, die für den Abend im Gebäude der Quebec-Delegation geplant war. »Das wird bestimmt 'ne Säuglingsfete«, sagte Mikes Freund Daniel, während er einem Mädchen namens Chyna (aus Denver) dabei half, ein Ahornblatt hinzukriegen, das mehr einem Spielkarten-Kreuz ähnelte als allen Ahornblättern, die ich je im Leben gesehen hatte. Die Kids um mich herum rauchten alle Hasch und Joints und ritzten, malten mit Filzstift oder sprühten mit Lackdosen ihre Namen und Heimatstädte sowie »Messages für Jimmy« auf alle benachbarten Grabsteine.
    Ich fragte Chyna, warum sie das Grab aufgesucht habe, woraufhin sie mir ein nicht verlangtes, aber sehr willkommenes Bier reichte und sagte: »Weil die Gewißheit, daß alle meine Idole tot sind, mir den Tod nicht so furchtbar erscheinen läßt.«
    Wir stießen mit unseren Flaschen an, und ich sagte: »Skaal« und erzählte ihr von Dänemark, wo ich gerade gewesen war und wo das Miteinanderanstoßen und »Skaal«-Sagen bedeutete, daß man sich jetzt duzen durfte. Das wiederum bedeutete, daß man sich jetzt offiziell als Freunde betrachten konnte. »Aufgrund dieser Regel kreist ein großer Teil des dänischen Humors darum, zu vermeiden, gleich beim ersten Mal mit anderen Leuten anzustoßen.«
    »Hä?«
    »Schon gut. Wohin fahrt ihr drei denn anschließend?« fragte ich,

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