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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Seite her an und versucht, unter Neils Bart hindurch meinen Gesichtsausdruck abzulesen. »O Lady, hören Sie sofort auf, so dreinzublicken«, sagt Neil, »sonst flippe ich aus.«
    »Zut! Entschuldigung«, erwidert Stephanie.
    Ich gebe es auf, mit diesen Zombies Konversation zu machen, und spreche mit Stephanie, als wären nur wir beide anwesend. Diese Strategie scheint zu wirken und den Denkprozeß der Altvorderen zu entspannen. »Jasmine lernte Neil während eines Regenbogenfestivals in Redwood City kennen. Neil war einer der Führer.«
    »Einer der Führer?«
    »Er führte Leute durch LSD-Trips. Schwitzte sie mit ihnen in der Badewanne aus. Redete sie nieder. Er und Jasmine lebten inmitten einer irren Szene: Motorradfahrer, Hochgeschwindigkeitsfreaks, Selbstmörder - überall lagen Opfer herum. Neil führte Jasmine durch eine böse Dosis Mikrat. Sie lebten eine Zeitlang in den Wäldern außerhalb von Mount Shasta und zogen dann gemeinsam in die neue Kommune von B. C. ein.«
    »Freaks.« Neil kichert wie ein Troll in sich hinein.
    »Jasmine sagt, daß sie sich sowohl durch LSD als auch durch Neil der unendlich reichhaltigen Möglichkeiten des Lebens bewußt wurde. Sie sagt, LSD öffnete ihr Türen, von deren Existenz sie keine Ahnung hatte. Aber sie sagte auch, daß sie nicht davon lassen konnte, als sie Angst davor bekam.«
    »Die Angst«, sagt Neil voller Autorität und setzt dann barsch hinzu: »Coyote, bring Norman sein Essen.«
    »Ja, Paps«, entgegnet einer meiner Halbbrüder - Coyote, wie ich annehme -, schnappt sich einen Teller mit Gemüseauflauf und verschwindet durch die Hintertür.
    »Wer ist Norman?«
    »Hat dir Jasmine das nicht erzählt?«
    »Nein.«
    »Norman ist dein Patenonkel.«
    »Wahnsinn!« Dies ist genau die Art Aufregung und Spaß, die ich gehofft hatte, bei Neil vorzufinden. »Wirklich?« Stell dir bloß vor - die Möglichkeit zu haben, den Menschen kennenzulernen, der extra dafür auserwählt war, dich in Religion zu unterrichten.
    »Aber Norman ist irgendwie hinüber. Viel kann man nicht mehr mit ihm reden«, fügt Neil hinzu.
    Schweigen. Was das heißt, weiß ich. »Ein Opfer?« frage ich.
    Neil, Laurel und Jolene nicken.
     

47
     
    Nach dem Mittagessen treibt Neil mich in das Schwitz-Tipi im Erlenwäldchen hinter dem Haus. Stephanie ist von Neil dazu abkommandiert worden, in der Küche beim Abwaschen zu helfen, und bleibt mit einem Blick zurück, der töten könnte. »Wir müssen ein Gespräch unter Männern führen.«
    Als Neil und ich wieder rausgehen, nackt bis auf die um unsere Hüften geschlungenen vergilbten und durchgescheuerten Gästehandtücher, die zwei Jahrzehnte zuvor aus dem Fairmont Hotel in San Francisco entwendet wurden, sehe ich Stephanies Gesicht durch ein ovales Küchenfenster hindurch, während ihre Hände im Ausguß darunter Geschirr spülen. Sie ist wie eine wild surrende Hornisse wütend darüber, daß man sie einsam im 13. Jahrhundert zurückläßt.
    Die Kinder schwärmen um uns herum, und ihre richtungslosen Bewegungen sowie ihr flatterndes weißes Haar erinnern an die schwachsinnige, nasse Welt der Fische in den Tiefen des Meeres. In ihren Händen halten sie Plastikschnüre und Ketten aus Tonperlen wie Stränge genetischen Materials, die sie untereinander tauschen. Diese Kinder dürfen nicht mit uns zum Schwitzen ins Tipi.
    Aus dem Luftabzug im Dach dringt Rauch. Innen ist die Luft schwer, salzig und heiß. Das Gel in meinem Haar wirkt wie ein Geruchsmagnet, und ich werde aus dieser ganzen Geschichte mit dem Geruch von Räucherlachs behaftet hervorgehen. Die heißen Redwood-Planken brennen mir unter den Schenkeln, während Neil sich einen Joint ansteckt und mir einen Zug anbietet. »Nein danke, ich muß noch fahren.«
    Überrascht hebt er die Augenbrauen. »Junge Leute haben keine Erinnerungen. Ihr seid außerstande, um die Vergangenheit zu trauern.«
    »Hä?« Diese Hippies.
    Wir sitzen da und werden schlaff, während Neil seine »Dr. Jay« raucht.
    »Hat dir Jasmine je die Geschichte von Norman und dem Fahrrad erzählt?« fragt Neil. »Nie.«
    »Nachdem Norman in Santa Cruz ausgeflippt war, mußten wir Babysitter für ihn spielen. Wir nahmen ihn mit uns und schmuggelten ihn nach British Columbia, oben auf Galiano Island.«
    »Da oben war ich gerade. Auf Galiano.«
    Neil denkt darüber nach. »Echt? Irgendwas gesehen?«
    »Null. Keine Spur mehr von der Kommune übriggeblieben . Bis auf einen Haufen Steine vom Kamin - und eine halbe Meile weiter stehen Bauten

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