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Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Krankenhausrechnung für das Comfortmobile mit einigen unserer »tragischen Banknoten«. Der Mechaniker konnte uns gar nicht schnell genug aus seiner Werkstatt heraustreiben, nachdem er sein Geld gelesen hatte.
    Stephanie und ich wollen schleunigst aus Mount Shasta flüchten. Unser Plan ist, mit affenartiger Geschwindigkeit die Interstate 5 hinunterzurasen und die Abzweigung über die Route 299 zum Highway 101 in Richtung Humboldt County zum Haus meines Vaters zu nehmen. Wir hätten die Nacht auch noch in Mount Shasta verbringen können, aber wir hatten den unüberwindlichen Drang aufzubrechen. Hoffentlich schaffen wir es, Trinity County und Siskiyou County hinter uns zu bringen, bevor uns eine Überdosis Autofahrt dazu zwingt, in ein billiges Motel einzufallen.
     
    Unsere Fahrt durch die Nacht verläuft wortlos und musikfrei. Die Landschaft ist flach, trocken und lancasterisch. Stephanie schläft neben mir ein, und ich denke an meine Familie und meine Freunde, die ich daheim zurückgelassen habe. Ich biege ab, um in einem Circle-K-Laden eine Tüte nostalgischer Cheezie Nuggies und ein Ginger Ale zu kaufen, und verspüre einen Stich, bin ein wenig stolz darauf, einer Gesellschaft anzugehören, die es vermag, ein Leuchtfeuer aus Licht und Technologie wie diesen Circle-K-Laden mitten im Nichts aufrechtzuhalten. Läden der Annehmlichkeit - der Wirtschaftsmotor der Neuen Ordnung.
    Das Innere des Ladens entpuppt sich als ein großräumiges Warenlager für Kartoffelchips, Schokoladenriegel, Limo und Autozeitschriften - kaum mehr. Eine schwindende Anzahl von Spezies draußen; eine schwindende Anzahl von Produkten drinnen. Das ist die neue Ausgewogenheit der Natur.
    Zudem ist der Laden bis an die Schmerzgrenze beleuchtet, die Decke ist mit einer größeren Ladung greller Glühbirnen ausgestattet als ein landendes Raumschiff.
    Mir schmerzt der Kopf, ich bedecke meine Augen, treffe meine Konsumwahl und begebe mich rasch zur Kasse, wo der Kassierer eine Sonnenbrille trägt. Ich bezahle mit einer Fünf-Dollar-Note, auf die ich mit Filzstift folgende Worte geschrieben hatte:
     
    Ich habe Angst vor dem finsteren Mittelalter.

46
     
    Hast du je deinen Familienstammbaum erkundet? Hast du je versucht, ein unbekanntes Familienmitglied kennenzulernen, einfach nur, weil ihr von gleichem Blut seid? Einfach so einen Fremden angerufen? An die Tür dieses Fremden geklopft, nur weil du wußtest, daß dahinter dieselben Chromosomen pulsierten?
    Vielleicht hast du, und vielleicht wurdest du angenehm überrascht. Aber vielleicht hast du es dann doch bedauert.
    Vielleicht ist dir klargeworden, daß manche Leute besser ein Name und eine Zahl auf der vergilbten Ringbuchseite ganz hinten in der Küchenschublade bleiben, auf der in einer Ecke die Telefonnummer des Angebeteten deiner Schwester (Murray ist ein Gott : 684-1975) und in einer anderen Ecke ein halbfertiges Henkerspiel (H-ATH -RJ-L -CKH -D) gekritzelt stehen.
    Vielleicht hast du diese Fremden gesehen und dir gesagt: »Du bist nicht ich« -, aber da hattest du dich geirrt. Sie sind du; du bist sie. Ihr alle zusammen seid ein Wald.
     
    Mein biologischer Vater Neil wohnt in einem mit Zedernschindeln verkleideten, Hobbit-ähnlichen, violett abgesetzten Haus tief im Redwood-Wald. Auf dem reetgedeckten Dach, über der Plexiglas-Lichtblase und den seit langem kaputten Solarzellen weht ein regenbogenfarbiger Luftsack; ein himmelblauer, mit Latexfarben-Wolken bemalter Laster von 1940 parkt vor dem Haus mitten in einem Beet voller Lupinen, Margeriten, Fingerhut und kalifornischem Klatschmohn. Stephanie und ich müssen zwei Tore aufsperren und an drei betreten-verboten -Schildern vorbei, um zum Haus zu gelangen, wobei uns eine verworrene Landkarte hilfreich ist, die Jasmine einmal vor Jahren skizziert hat und unter der die Schlüssel für die beiden Tore mit Klebeband befestigt sind. Es ist 'ne richtige Schatzsuche.
    Für die heutige Überraschungsbegegnung trage ich Hemd und Krawatte. Ein Jahrzehnt ist vergangen, seit ich Neil zuletzt gesehen habe, deshalb gebe ich mir Mühe, erwachsen auszusehen. Ich erwarte mir von diesem Besuch einen tiefen Einblick in die Gründe dafür, daß ich so bin, wie ich bin, und meine Knie werden mir beim Anblick des Hauses weich.
    Ungefähr zehn von Neils Kindern, blond mit blaßblauen Wolfsaugen, schlagen sich gegenseitig mit Redwood-Zweigen, als Stephanie und ich den Weg hochfahren. Zwei Mädchen spielen mit Barbiepuppen, denen ein drittes Auge auf die Stirn

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