Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shampoo Planet

Shampoo Planet

Titel: Shampoo Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
Vom Netzwerk:
gemalt ist. Alle diese Kinder verstummen angesichts des Comfortmobiles und werfen sich dann zu Boden wie bei einem Atombombenalarm von 1950.
    »Himmel.«
    »Sacre bleu.«
    Die Kinder fangen an zu heulen und zu schreien und krabbeln zu einer Seite des Hauses. Zwei Frauen in weißen Leinenkleidern kommen auf die Veranda gelaufen und wischen sich dabei die Hände an ihren Schürzen ab. Eine der Frauen kreischt auf, und Neil, mit weißem Bart wie Gott und nur mit Latzoverall und Cowboystiefeln bekleidet, kommt auf die Veranda des Hauses hinuntergerannt, in der Hand eine 12kalibrige Flinte, und Stephanie und ich bleiben erstarrt und versteinert stehen, gehen keinen Schritt weiter auf das Haus zu.
    »Was wollt ihr?«
    »Neil?«
    »Was gibt's?«
    »Ich bin es, Tyler.«
    Neil zieht die Augenbrauen zusammen, legt den Kopf schief und sagt »Ich kenne keinen Tyler. Tyler - oh - Tyler. Tyler?« Er läßt die Flinte sinken und pfeift Entwarnung. Tapst die Stufen hinunter, um mich zu umarmen, wobei sich sein schlohweißer Bart auf mein durch Gel drahtsteifes Haar legt. Die vorausgegangene Minute der Furcht ist vorüber und vergessen. »Und das...«, beginnt er wieder, »das ist... äh... Daisy.« Er geht zu der zurückzuckenden Stephanie und umarmt sie.
    »Nein, Neil. Das ist Stephanie. Eine gute Freundin. Daisy ist in Lancaster.«
    Neil umarmt sie trotzdem.
    Die Kinder umschwärmen uns, befühlen meine Krawatte und Stephanies große Ohrreifen. In ihren Gesichtern kann ich Züge meines eigenen Gesichts erkennen - mir war gar nicht klar, daß ich so viele Halbgeschwister habe, und ich empfinde ein merkwürdiges Vergnügen, sie vor mir zu sehen - so ähnlich wie wenn du eine Birne ißt, von der du weißt, daß sie von einem auf einen Apfelbaum gepfropftem Zweig geerntet wurde. Die Kinder tragen T-Shirts mit aufgedruckten Molekülen von LSD, Schokolade, Testosteron, Valium, THC und anderen gemütsstimulierenden Chemikalien.
    »Kommt herein«, sagt Neil. »Eßt mit uns zu Mittag. Leistet uns Gesellschaft. Laßt uns beieinander sein.«
    »Paps verkauft diese Hemden auf Festivals«, verkündet eines der Mädchen. Sein Hemd ist schmuddelig.
    »Mein Tarngeschäft«, sagt Neil und flüstert mir dann ins Ohr: »Wegen des FBI.«
    »Hat MTV eine Molekularstruktur?« frage ich.
    »Was ist MTV?« fragt Neil zurück. »Ich mag keine Designer-Drogen.«
     
    Das Furchterregendste an der Küche ist, daß es keine Schachteln oder Dosen oder andere Zeichen des mächtigen Nahrungsmittelverteilungssystems dieses Landes gibt - keine vertrauten Markennamen. Nichts Konserviertes. Keine Mikrowelle. Kein Strom. Nichts. Nur Gefäße voller Pflanzen und Getreide, die ich trotz Jasmines Schulung nicht kenne. In allen Ecken unter der Decke sind Kristalle angebracht. Der Gestank von Räucherstäbchen hat sich auf allen porösen Oberflächen festgesetzt. Aller Krimskrams ist glatt und aus Redwood geschnitzt: Hippie-Accessoires für Eden. Im Vergleich hierzu erscheint unsere Küche in Lancaster wie ein Raumschiff.
    Und diese beiden Frauen, Laurel und Jolene - großäugig und barfüßig - sagen kein Wort. Nada. Sie lächeln zwar ununterbrochen, aber ihr Lächeln ist das eher gruselige Hippie-Lächeln, wie das freundliche Lächeln, das dir Leute in einer Kleinstadt schenken, wenn du eine Autopanne hast, und dir zu essen geben, und du findest es toll, nur um dann herauszufinden, daß du ihr Thanksgiving-Braten sein wirst. Dessenungeachtet haben Laurel und Jolene ein zweifellos nahrhaftes Mittagessen zubereitet, einen geschmacksneutralen Gemüseauflauf.
    Während der Mahlzeit sitzen wir um einen großen Redwood-Eßtisch herum, und Neil ist nicht im geringsten neugierig, warum ich hier bin. Er stellt mir nicht eine einzige Frage. Nicht mal so was wie Wie lange bleibst du? oder Warum bist du gekommen? Außerdem sind seine Augen trübe. Er ist stoned. Ich glaube, auch die Frauen werfen LSD ein. Die Kids sind allerdings nicht high. Sie sind bestialisch, schwanken hin und her zwischen Bosheit, wie in einem Sack voller Katzen, und Tumbheit, wie in einem Sack voller Säcke. Mann, die hätten etwas Disziplin nötig.
    »Jasmine ist in guter geistiger Verfassung«, biete ich an. Neil nickt und sagt, das ist toll, aber Laurel und Jolene zeigen keine Reaktion beim Erwähnen ihrer einstigen Rivalin. Vielleicht ist dieses Mittagessen nicht gerade furchtbar, aber zumindest langweilig. Ich erzähle ein bißchen über das Leben in Lancaster.
    Stephanie sieht mich fortwährend von der

Weitere Kostenlose Bücher