Shampoo Planet
Bank of America - Intel - TransAmerica - und auf der anderen Seite der Bucht: atomare Flugzeugträger in Oakland und all so was, außerdem dieser jederzeit bedrohliche Erdbebengraben. Das ist vielleicht 'ne Stadt - irgendwie modern.«
Etwas später machen wir eine Cappuccino-Pause in der Nähe der Cyclotron Road neben den atomaren Lawrence-Anlagen in einer Straße von Freaks auf dem liberalen Nippel von Berkeley. Stephanie telefoniert nach Frankreich - Moniques Kätzchen Minuit liegt noch immer im Sterben.
Nächster Halt: eine Pilgertour zum Apple-Hauptquartier in Cupertino, danach hinunter ins Silicon Valley: Los Altos, Sunnyvale, Palo Alto - auf zwölfspurigen Straßen saust der Verkehr an in Flammen stehenden Eukalyptusbäumen vorbei. Echt heiß.
Beim Überqueren der Bay Bridge liegt die Sonne glänzend auf einsamen Fragmenten der vom Erdbeben zertrümmerten Zufahrtsstraße, aufrecht in den Himmel gehalten von nicht eingestürzten Trägern - wie der Skulpturengarten im Ridgecrest-Einkaufszentrum. »Stephanie, ich könnte jetzt ein Fitzelchen frische Luft gebrauchen.«
Unvermittelt stecken wir im Stau. Hier so im glorreichen Westen rumzuhängen erinnert mich an Fotos von diesen toten Fabrikstädten woanders auf der Welt - an diese Randgebiete mit längst abgestorbener, vor sich hin rostender Technologie wie Kugellager- und Naphtalinfabriken - Bleitetraäthyl, PVC und Ruß - in Mengen ausgestoßen durch die Verarbeitung von Steinkohle und Ideen, die ihre Bedeutung verloren haben - Städte, die so groß und so tot sind, daß sie ihre vollständig eigenen Kosmologien fürs Jenseits haben. Diese Orte tun mir leid. Ein paar Beispiele? In Gedanken sehe ich perlenbehängte, kreischende Hausfrauenmumien hilflos in den geschmolzenen Koks-Seen von Anti-Pittsburgh umherpaddeln. Ich stelle mir vor, wie augenlose Geisteringenieure sich über Entwürfe für Eisenmaschinen kauern, die den Himmel in Zeitlupe auffressen. Ich denke an Passagierskelette auf einem BOAC-Flug, der nie landen wird, die Knochen in schicke Wollanzüge gekleidet, führen sie Cocktails zu ihren grinsenden Totenschädeln, klappernd und wütend über ihre ewige Verdammnis klagend, während sie hämisch ihre scheppernden Kniegelenke zusammenschlagen und die unter ihnen liegende schwarz-weiße Industrielandschaft rösten - das Anti-Bremen, Anti-Portsmouth, Anti-Hamilton, Anti Yokohama und Anti-Gdansk - und das Flugzeug die den Schloten entsteigenden flauschigen Wolken, die aufgeblähten grauen Bäusche aus Dioxyden und brennender Zeit, durchlöchert.
Und jetzt stell diesen Visionen die leuchtenden türkisfarbenen Bauten des Westens gegenüber: Angestellte in Jeans, die in ihrer Mittagspause mit Hafersäcken spielen; die Babies der Angestellten, die in der Firmenkrippe Japanisch lernen, Autobahnen, die vor Erfolgsgeschichten der Neuen Ordnung strotzen - Software, Flugzeuge und U-Boote; weiße Wertpapiere, Impfstoffe und schmissige Filme. Erleichtert habe ich das Gegenmittel zum Haus meines Vaters gefunden.
»Stephanie«, sage ich, »wir werden reich werden in Los Angeles.«
»Das hoffe ich, Tyler. Das Leben ist reich.« »Du sprichst mir aus der Seele.«
Silicon Valley ist eine Kette von Zukunftsstädten. Ich sollte erklären, was eine Zukunftsstadt ist.
Zukunftsstädte liegen in den Randbezirken der Stadt, in der du lebst, gerade eben außer Reichweite des wütenden, fackelschwingenden Mobs, der aus der Innenstadt heraus hier einfallen könnte.
Du sollst die Zukunftsstädte gar nicht bemerken - sie sind im Prinzip unsichtbar: Niedrige, flache Gebäude, die aussehen, als hätte man sie gerade einem Laserdrucker entnommen; fetischistische Landschaftsgestaltung; ausschließlich neue Autos auf den Angestelltenparkplätzen; kleine, von hinten beleuchtete Plexiglas-Totems auf der Außenfront kennzeichnen die merkwürdigen, allen möglichen Sprachen entspringenden Namen der Unternehmen, die sie behausen: Cray. Hoechst. Dow. Unilever. Rand. Pfitzer. Sandoz. Ciba-Geigy. NEC. Die Zukunftsstädte in Europa sind die gleichen wie die in Kalifornien. Ich kann mir vorstellen, daß sie auf dem ganzen Planeten gleich sind. Zukunftsstädte sind wie eigenständige kleine Länder, die man anderen Ländern aufgepfropft hat.
Stephanie und ich fahren mit voll aufgedrehter Musik durch diese Zukunftsstädte von Silicon Valley.
»Was spielen wir als nächstes?« frage ich.
»Britischen Industrielärm!« entscheidet Stephanie treffend. Wir klauben die Kassetten vom Rücksitz,
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