Shampoo Planet
(wie Anna-Louise letzten Weihnachten während einer langen Runde intensivst fernbedienter TV-Programm-Erkundungen bemerkte) mein männliches Bedürfnis nach Magie kommt auf seine Kosten. Aber als ich heute diese zwiebelige Freundlichkeit einatme, fällt mir ein Rat ein, den mir Jasmine - nie die beste Autofahrerin - gegeben hat, als ich sechzehn war: »Mach's, wie ich es dir sage, Tyler, und nicht wie ich's mache. Wenn du ein zu bequemes und zu geräuschloses Auto über zu lange Zeit fährst, ist es möglich, daß du abhebst - dich allzusehr entspannst und darüber vergißt, daß du für dein Fahren verantwortlich bist. Und wenn das passiert, ist die Unfallgefahr viel größer. Sei mir ein guter Junge, Tyler. Ich will stolz auf dich sein. Sei aufmerksam. Halte dich an das, was du selbst siehst.«
Ich setze meine Sonnenbrille auf, und vor mir liegt eine große, neue Stadt.
50
Alles, was ich heute in meinem Einkaufswagen liegen habe, ist entweder rosa oder lila: Schinken, Traubengelee, Himbeerplätzchen, Speckscheiben, Lakritz und Kidney-Bohnen. Ich muß mich fragen, was diese Farbwahl über meinen Geisteszustand während der vergangenen Wochen aussagt.
Stephanie ist heute am anderen Ende der Stadt auf einem TV-Casting für einen Werbespot, während ich hier in West Hollywood durch das Alpha-Beta latsche. Wenn sie den Part bekommt, wird sie zusammen mit einer Handvoll weiterer Stephanie-Einheiten bikinigeschürzt den Hintergrund für einen nahezu vergessenen Fernsehstar bilden, der laufend Werde-schnell-reich-als-Makler-Seminare feilbietet, die dann jede Nacht auf den Verbundkanälen ausgestrahlt werden.
»Mein großer Durchbruch, Tyler. Die Sendung soll wochenlang jede Nacht wieder'olt werden. Was für eine Chance.«
Stephanie rief per Autotelefon aus dem Infiniti ihres Agenten an, der in einem Verkehrsstau in der Nähe von Hawthorne festsaß. »Kaum eine Heckenschützenlänge von der Mattel-Spielzeugfabrik entfernt«, informierte ich sie. Darauf wurde mir erwidert, ich solle heute abend nicht auf sie warten, da sie danach noch zu einem anderen Casting müsse. »Für einen richtigen Fiiilm. Lowbudget. Ich werde zwar keine Sprechrolle bekommen, dafür darf ich aber laut schreien.«
»Viel Aas.«
»Excusez-moi?«
»Ich sagte, viel Spaß.«
»Du hörtest dich anders an. Oh - ich muß Schluß machen. Jasper erwartet einen Anruf. Jasper sagt, deine Abneigung gegen Folter sei bourgeois. Ciao.«
»Ciao.« Anruf beendet.
Jasper ist Stephanies Agent. Zumindest so 'ne Art Agent, da keiner seiner Kunden eine Arbeitserlaubnis hat oder Gewerkschaftsmitglied ist. Eine Symbiose, sozusagen.
Jasper stammt aus London und hat blasse Haut, die aussieht und schwitzt wie ein in Plastik verschweißter, auf dem Küchentisch auftauender Thanksgiving-Truthahn. Jasper meidet alle britischen Landsleute - ich habe den Verdacht, weil er seinen Akzent verstellt und nicht dabei erwischt werden will. Die ganze Zeit geht's bei ihm: »Tut, tut - kann jemand Tennis?« und »Alles Roger«. Ziemlich dick aufgetragen. Jaspers gibt es massenhaft in L.A. und, ich wage es kaum laut zu sagen, auch Stephanies gibt es massenweise. Aber Jasper und Stephanie sehen ihre Gewöhnlichkeit eher als eine Herausforderung an - wie eine Lotterieziehung um einen exorbitanten Preis -, je lächerlicher die Chance zu gewinnen, desto fieberhafter werden die Lose gekauft. Mir war dieser Wettbewerbstrieb bei Stephanie nie zuvor aufgefallen.
Ich bezahle meine Einkäufe und schleppe sie zum Comfortmobile. Nachdem ich den Verkehr mit bis zum Anschlag hochgedrehtem KROQ auf UKW bekämpft habe, erreiche ich mit meinen Einkaufstüten unser Apartment - ein tröstlich normaler Akt -, stecke den Schlüssel ins Schloß, wobei ich mit den Tüten jongliere - was mir zum ersten Mal, seit ich vor einem Monat aus Lancaster abgehauen bin, das Gefühl gibt, hier wirklich zu wohnen. Und während ich die Tüten auf den Tisch knalle, wird mir bewußt, daß das Leben in letzter Zeit viel zu schnell an mir vorbeigerast ist; wir hatten nicht einmal Zeit, einen Tagesrhythmus zu entwickeln. Keine Zeit, das Gefühl: »Ah ja, das ist meine Gangart« aufkommen zu lassen. Insofern ist es das erste Mal, daß ich in aller Ruhe meine ganz eigene Gangart wiederfinde. Ich kann das kleine rote Lämpchen am Herd förmlich riechen, höre das Summen des Kühlschranks und das Geratter der Lüftungsanlage im Flur. Jetzt, da ich mich richtig zu Hause fühle, kann ich Daisy in Lancaster
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