Shampoo Planet
anrufen. Der versprochene Monat ist um. Kommt mir vor wie ein Jahr.
Drüben in der Ecke sehe ich meine Kamera, die ich noch nicht einmal aus ihrem Futteral genommen habe, seitdem mich Stephanie sofort von der Modefotografie weggelotst und in einen McJob gedrängt hat, um unsere Miete zu garantieren. Der Job? Ich bediene die teuflisch blubbernde, computergesteuerte Hähnchenflügel-Friteuse in WingWorld, eine Konzession, unter der all die Teile von Hühnern verkauft werden, die übrigbleiben, nachdem das weiße Fleisch zu Bratkroketten und die schrecklicheren Teile durch den Wolf gedreht zu KittyWhip verarbeitet worden sind.
Vor der allerschlimmsten Verzweiflung verschont mich die Aussicht auf einen Job als Bedienungshilfe im Hard Rock Cafe gegen Ende des Monats; ein Höhepunkt konzessionellen-Schnellimbiß-Glamours. Jesus, der mit mir zusammen bei WingWorld arbeitet, hat einen Freund, der einen Freund hat, der einen Freund hat, dessen Schwester an der Garderobe im Hard Rock arbeitet.
Kalifornien ist toll.
Ich ziehe meine Arbeitsuniform an.
Stephanie und ich verbringen nicht viel Zeit zusammen in unserem Mikroapartment in West Hollywood. Zum Beispiel kocht keiner von uns. Stephanie mag zwar großartig darin sein, Essig in Flaschen zu füllen, aber ihr Kochtalent ist beschränkt. Meines ist nonexistent. Ihr einziger Versuch, Meeresfrüchte zuzubereiten, endete in einem lebensbedrohlichen Schalensplittergemisch - ähnlich den kleinen Stücken zerbrochener Spritzenkanülen, die auf Röntgenaufnahmen von Howard Hughes Leiche entdeckt wurden. Unser Kühlschrank ist im Prinzip nahrungsmittellos, lediglich angefüllt mit Eiscreme-Sandwiches, auf die ich mich richtig freue, wenn ich den ganzen Tag über fritierten Hähnchenflügeln und Bratöl geschwitzt habe, sowie mit Dutzenden geeister Löffel, die sich Stephanie auf die angeschwollenen Augen legt, bevor sie zu ihrer unendlichen Prozession vorgeblicher Castings loszieht.
Wir fanden dieses coole kleine Apartment an unserem ersten Tag in L. A. durch eine regionale Wochenzeitung. Es liegt im Erdgeschoß eines marineblauen Gebäudes, entworfen in den Zwanzigern nach dem Vorbild einer völlig unproportional ausgerichteten, stuckverzierten Hacienda im Barcelona-Stil. Die architektonische Gesamtwirkung taufte Jasper »Drug Lord«. Unsere Wohnung ist eine der sechs Junggesellenzellen, umgeben von Mispelbäumen, Agaven mit bajonettspitzen Blättern und Hubschrauberlärm vom LAPD-Drogen-Dezernat, das ständig über unseren Köpfen kreist.
Unser Hauswirt ist Mr. Moore, ein etwas angsteinflößender alter Kerl. Während der 40er und 50er Jahre war er Statist beim Film, und sein Gesicht wurde so oft geliftet, daß seine Augenbrauen jetzt eigentlich oben auf seinem Kopf sein müßten, da sie jedoch seit langem elektrolytisch entfernt worden sind, erinnern nur zwei kleine, matte, knubbelige Stellen an sie, die auf seinem Schädel bei einem bestimmten Lichteinfall sichtbar werden. Auf unsere Hintertreppe hat Mr. Moore, die Schnauze voll von Pennern und Drogendealern, anmutig gesprayt:
Drogen verboten pissen verboten
In der Wohnung nebenan wohnt Lawrence, ein männliches Model, der ganze Tage damit verbringt, seinen Käfer Cabrio mit einem schier unerschöpflichen Vorrat an FUCK-EX-XON-T-Shirts, die sein Vormieter hinterlassen hat, zu polieren. Lawrence und Mr. Moore sind sich ständig über die Wasserrechnung uneinig. »Man hat den Eindruck, Mr. Dekoration von Nummer sechs glaubt, das Wasser fließt einfach kostenlos aus dem Wasserhahn oder so was«, grunzt Mr. Moore zwischen Rauchwolken aus diesen langen, dünnen dunklen Zigaretten, die nur von alten Leuten geraucht werden. Eine Woche nachdem wir eingezogen waren, stattete er uns einen Besuch ab. »He - gefällt mir gut, was ihr aus eurer Wohnung gemacht habt«, sagte er, als er unsere Ausstattung sah. »Echt schnieke. Schick.«
Wir hatten unserem halbmöblierten Appartment nur ein paar Gegenstände hinzugefügt, wie beispielsweise eine ausrangierte Sitzbank aus einem Chrysler K-Car, die wir in einer Seitenstraße fanden, und ein Bündel unbezahlter Rechnungen, die wir als Untersetzer benutzen. An die Wände haben wir farbige, tischplattengroße Werbeplakatfragmente geheftet, die wir hinter einem Perückenbaum an der Normandie Avenue fanden. Es sind drei Teile: Ein Mann und eine Frau, die mit nacktem Oberkörper Gewichte stemmen, ein Porsche und große, abgerissene Buchstaben, aus denen zu lesen ist: C aine abuse
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