Shampoo Planet
hotli . Diese verstümmelten Worte sind so cool, daß ich mich frage, warum niemand sie einzeln, so wie sie sind, verkauft. Sie verleihen unserem ansonsten eher heruntergekommenen Apartment eine besondere Note. Ich muß Stephanie daran erinnern, daß sie mich daran erinnern soll, einen Brief an die »Ideen-Archiv«-Kolumne der Zeitschrift »Young Entrepreneur« zu schreiben.
So cool unsere Bude auch sein mag, es fehlt mir doch nichtsdestoweniger der Komfort meines in Lancaster zurückgelassenen Modernariums. Vielleicht kann ich eines Tages, wenn ich mich etwas mehr etabliert habe, in den Norden fliegen, einen Möbeltransporter mieten und meine liebgewonnenen, haltbaren Konsumgüter in den Süden holen. Aber angesichts meiner momentanen Sparrate wird wohl ein solcher Umzug für die nächsten, na, sagen wir mal, zweihundert Jahre nicht in Frage kommen.
Auf dem Weg zu WingWorld rufe ich von der Pacific-Bell-Telefonzelle an der Ecke aus Daisy an und benutze dafür Harmonys »Nur-für-den-Notfall«-AT&T Telefonkartennummer. Ein echter Kumpel. Ich kann mir kein Telefon leisten, das Leben ist so teuer. Warum wurde mir so etwas Wichtiges nicht in der Schule beigebracht?
Während ich darauf warte, daß Daisys Prinzessinnen-Telefon in Lancaster läutet - behaglich und warm in seinem Nest aus Pizzapreislisten und vegetarischen Kochbüchern -, lasse ich meine Augen über den Trödelverkauf im Vorgarten auf der gegenüberliegenden Straßenseite wandern. Es ist das Zuhause der geisterhaften Heroin-Familie: Junkies, leichenblaß und von feierlichem Ernst, wie dämonische Verkäufer über geklaute Motel-Aschenbecher gebeugt, für die sie zehn Dollar haben wollen. Himmel, wie deprimierend. Zu jedem Kauf hinzu gibt es Prozac gratis.
Ein Klicken.
»Hallo?«
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»Daisy, hier ist Tyler.«
»Du bist also von den Toten auferstanden!«
Freudiges Gekreische geht übergangslos in ein Begrüßungspotpourri inmitten einer knackenden Leitung über - Daisy liegt der Länge nach auf dem Fußboden ihres Zimmers ausgestreckt und benutzt die billige Verlängerungsschnur. Ich sehe sie im Geiste vor mir, wie ihre Hand voller Armreifen kleine Stückchen Glitter und abgeschnittene Fingernägel vom Jute-Skalp ihres rosafarbenen Love-Me-Langflor-Läufers zupft. »Tyler, du klingst super. Leider fühlt sich mein Gehirn zur Zeit wie Kanal Eins an; ich bin auf einer Zitronensaft-Cayennepfeffer-und-Ahornsyrup-Fastendiät. Heute ist der vierte Tag. Wo bist du? In Hollywood?«
Ich spüre, wie meine unmittelbaren Umstände meine Autofahrt, mein Apartment, Stephanie, meine gegenwärtige Welt - von mir abfallen, nur weil ich eine vertraute Stimme aus Lancaster höre, als ob alle Vorkommnisse des vergangenen Monats nie geschehen wären. Während ich so gegen die sonnenerhitzte Aluminium-Telefonzelle gelehnt stehe und das heiße Metall wie ein Bügeleisen meine unteren Rückenmuskeln verbrennt, ist mir zumute, als falle ich in ein Loch, als schrumpfe ich in den Hörer - wie ein in sich zusammenfallender Quasar - im Schlepptau zum Planeten Heimat. »Ich bin in West Hollywood.«
Ein Aufschrei: »Wirklich? Ich wollte nur einen Witz machen. Bist du schon ein Star? Hast du irgendwelche Stars gesehen?«
»Hollywood ist nicht so, wie du glaubst«, sage ich und lasse dabei keinen Blick von der Heroin-Familie, die sich jetzt in Zeitlupe eine tropfende Nektarine teilt und dabei den zu erwartenden Ertrag aus dem Verkauf von Zeitschriften hochrechnet, die sie aus den Wartezimmern von gedämpften La Brea Avenue Deals hat mitgehen lassen. »Ich wohne jetzt tatsächlich hier. Stephanie und ich haben ein Apartment. Rauchst du, Daisy? Ich höre, wie du inhalierst.«
»Großmamas Zigaretten. Die braunen.«
»Während einer Fastenkur? Ausgesprochen schlau. Mmm... 'ne Kippe. Wie geschmackvoll. Daisy, wie oft habe ich dir gesagt, Rauchen ist etwas für arme Leute. Drück sie aus.«
»Oh, du kannst mich mal, hast du irgendwelche Stars gesehen?«
»Wir haben Bert Rockneys Double gesehen, als er gerade seinen Wagen vor dem Versammlungsgebäude der Anonymen Alkoholiker auf dem Wilshire Boulevard einparkte.«
»Das ist das Glamouröseste, was ich je gehört habe.«
»Daisy, wie geht es euch allen?« Der Klang von Daisys Stimme löst in mir dasselbe Gefühl von Atemlosigkeit und Hoffnung aus, das ich empfinde, wenn ich höre, daß ein kleines, liebenswürdiges Sumpftierchen, von dem man zuvor geglaubt hatte, es sei ausgerottet gewesen, überlebt hat und prächtig
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