Shampoo Planet
den Rügeltüren beim Eingang standen, machte Stephanie seltsamerweise keine Anstalten, ihre Jacke anzuziehen, und als ich sie fragte, warum, verzogen sich ihre Gesichtszüge sichtbar zu irgendeiner Form von Geständnis. Genau in dem Moment kam ein Mann aus einem der anderen Räume des Restaurants auf sie zu - ein mürrischer Lord-Koks-Typ mit offensichtlich viel Knete, einem Affenhals, ölig zurückgekämmtem Haar und einem fast sichtbaren Dunst von Cologne. Dieser Kerl tauchte aus dem Nichts auf und stellte sich hinter Stephanie, wobei er völlig vertraut seine Hände auf ihre Schultern legte.
Stephanie schien verärgert; ich nehme an, der Typ hätte nicht eher hervorkommen sollen, bis ich weg war. »Hm. Tyler«, sagte sie, »ich möchte dich mit Firooz bekanntmachen.«
Firooz und ich nahmen die Anwesenheit des anderen kaum zur Kenntnis, unser Retina-zu-Retina-Kontakt war kaum mehr als ein flüchtiges Streifen, woraufhin Firooz' Mund mit Stephanies Hals zu spielen begann. Meine eigene Reaktion war unerwartet, etwa wie wenn man während eines Erdbebens seekrank wird. Meine Ohren brannten. Mein Gehirn spulte zurück. Wahrheit und Wirklichkeit verschwammen -ein Fax eines Faxes eines Faxes eines Faxes eines Fotos.
Es ging schnell. Ein anderer Mann, wahrscheinlich einer von Firooz' Gorillas, dessen Pistolenhalfter sich unter dem Jackett abzeichnete, hielt die Tür auf und fragte, ob ich gehen wollte. Stephanie gab mir ein Stück Papier, auf dem eine Telefonnummer stand, und flüsterte mir zu: »Tut mir leid, Tyler. Wir hatten viel Spaß. Es ist vorbei. Firooz 1 Freunde haben heute abend meine Sachen geholt, während wir gegessen haben. Wiedersehen.«
Das war ein vorsätzlicher und planmäßiger Schluß; Feilschen kam nicht in Frage. Ich wurde einfach meiner Beziehung enthoben.
»Stephanie...« Wumm. Eine flinke Schlägerfaust saß fest in meinem Nacken - polizeilich erlaubte Technik für schmerzbedingte Gefügsamkeit -, und ich bemerkte kurz das Funkeln seiner Kanone, als er die Tür schloß; am äußersten Rand meines visuellen Bewußtseins konnte ich das Schauspiel von reichen Leuten beim Essen wahrnehmen. In meinen Ohren lagen ein wütendes Schweigen und die Stimme einer neugierigen Drive-in-Bedienung, die sich wohl fragen mochte, ob ich weit genug unten in der Lebensmittelkette stand, um laut herauszuplatzen.
Einen Moment später war ich draußen auf der Straße und gab den Bürgersteigen des Santa Monica Boulevards die Ehre; ich fühlte mich wie in einem dieser Häuser, aus denen die Familie auf geheimnisvolle Weise verschwunden ist, während ihr Essen noch auf dem Tisch steht. Zu schnell. Viel zu schnell. In derselben Weise, in der Blätter bei Sonnenuntergang grüner wirken, nahm ich das Licht intensiver wahr -meine rosige Haut wirkte rosiger; die weißen Toyotas weißer, meine schwarzen Schuhe schwärzer. Die Blumen waren wunderschön. Eine Welle großer Klarheit brandete über mich hinweg, und die Welt erschien wie kurz vor dem Ausbruch eines Fiebers - wie in dem Moment, bevor die Wahrnehmung wie ein implodierendes Gebäude zusammenbricht und man sehr, sehr krank wird.
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Ich schlendere den Hollywood Boulevard hinunter. Ja, ich schlendere. Ich habe das Comfortmobile gestern abend verkauft, um für die täglichen Ausgaben aufkommen zu können. Das Auto war eine Seifenblase, in der sich die glücklichsten Jahre meines Lebens abgespielt hatten, und ich sagte kein Wort, als ich seinen neuen Besitzer davonfahren sah, einen UCLA-Studenten namens Bernie, der mein Auto-Baby »Becky« nannte, was mich zusammenzucken ließ. Danach stapfte ich in mein Apartment und kochte vor Wut; es fällt mir in letzter Zeit schwer, etwas zustande zu bringen. Wo ist mein einstiger, fein ausgeprägter Sinn für Unabhängigkeit geblieben?
Ich lebe jetzt allein hier in West Hollywood im Mikroapartment. Ich bin entschlossen, mich in Unabhängigkeit zu üben. Aber das ist schwieriger, als ich dachte. Und so teuer.
Zudem fühle ich mich in letzter Zeit so anders, da ich niemals ganz allein war. In Europa hatte ich Kiwi oder zumindest die Aussicht auf einen flüchtigen europäischen Bekannten. Hier in L. A. gibt es niemanden, mit dem ich sprechen kann -alle Leute, die ich kennenlerne, sind Freaks, und ich zögere, ein Gespräch anzuknüpfen. Ich will kein Magnet für Psychopathen werden.
Was ich tue? Ich versuche, mich nicht gehenzulassen: Ich achte darauf, daß ich mich jederzeit gut kleide, daß mein Haar sorgfältig
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