Shampoo Planet
sehen, wie unsere Mütter als junge Frauen waren... jung und gintrunken, tanzen sie in den Armen eines Mannes, der nicht unser Vater ist. Ich weiß, daß ich aufgrund meines Schleiers Schwierigkeiten habe, eine jugendliche Ausgabe meiner eigenen Mutter vor mir zu sehen, und ich glaube, ich sehe dich durch einen Schleier hindurch, der auch verhindert, daß du mich deutlich sehen kannst.
Wo soll ich anfangen? Zunächst ein paar Kleinigkeiten: Mark ist heute nachmittag in der Schule. Daisy und Murray sind auf Jobsuche (kein Witz). Ihr Haar sieht furchtbar aus, Tyler, und ich weiß nicht, wie ich sie dazu bringen kann, etwas dagegen zu tun. Das klingt, als wäre ich achtzig. Ich höre lieber auf.
Ich sitze allein in der Küche. Die Sonne flutet herein, ich schlürfe »meinen Tee« (heute Kamillentee). Du hast das Bild bestimmt gut vor Augen. Der Raum ist still und sicher für unsere übergewichtige Kittykat, die auf dem Kühlschrank ein Nickerchen abhält und ihr KittyWhip verdaut. (Sie frißt wirklich zuviel in letzter Zeit. Dein Großvater gibt unserem pelzigen Familienmitglied immer wieder Kostproben seiner neuen Produktserie. Oh - Kittykat hat gerade zu mir herübergeblickt - ich nehme an, es bedeutet, sie läßt dich grüßen. »Miau.« [Das war zu niedlich. Fast habe ich es verlernt, Tyler.])
Jedenfalls muß ich in dieser Küchenfriedlichkeit an einen Traum denken, den ich immer wieder träume (ich weiß, du haßt es, die Träume anderer Leute anzuhören, aber verzeih mir, du Rübe, ich erzähle ihn trotzdem). Ich sehe mich in einem unbekannten Haus und gehe umher, stecke meine Nase in jeden Raum, vertrauensvoll und unerschrocken, weil ich weiß, daß ich die einzige Person im Haus bin. Ich betrete ein Zimmer und sehe eine Haarbürste, eine Flasche Parfüm und eines kleines, gerahmtes Foto von einem Boot. Da wird mir klar, daß ich mich in der Vergangenheit befinde und dies das Zimmer meiner Mutter ist und daß ich jetzt sie bin. Ich hatte nicht erwartet, alt zu werden, Tyler.
Ich kann nicht länger warten. Ich komme auf den Punkt: Nein, Tyler, ich bin dir nicht böse, weil du nicht angerufen oder geschrieben oder sonst ein Zeichen von dir gegeben hast über all die Wochen, die du jetzt fort bist und Gott weiß was tust und das Tageslicht aus mir herausängstigst. Und in gewisser Weise verdiene ich diese schweigsame Behandlung. Ich hätte sicherlich mehr Zeit dafür aufbringen müssen, dir zuzuhören und dein Leben zu begreifen, anstatt so sehr in mein eigenes verstrickt zu sein, ehe du fortgingst. Aber dasselbe gilt auch für dich, mein Katerchen. Liebe ist eine Sache von Gegenseitigkeit.
Du denkst vielleicht, du kennst mich, Tyler, aber das ist nicht wahr. Ich meine das nicht als Provokation oder Vorwurf. Niemand kennt einen anderen wirklich, glaube ich. Aber du versuchst, mich als jemanden zu sehen, der ich ganz einfach nicht bin. Mein Schatz, ich liebe dich so sehr, aber bitte urteile nicht über mich, okay? Was ich mit Dan getan habe, war blöde, aber es ist meine Blödheit, nicht deine. In gewisser Weise will ich damit sagen: Halt dich da raus, aber auch, Ich habe genug Vertrauen in dich, dich deinen eigenen Weggehen zu lassen. Mach dir nicht zu viele Gedanken um das Tun anderer. Was ich hier sage, meine ich nur freundschaftlich und liebevoll. Sei nicht gleich eingeschnappt.
Aber nachdem ich dies alles noch mal durchgelesen habe, ist mir klar, daß ich noch nicht deutlich genug bin.
Okay... Ich kann mich daran erinnern, daß ich dir vor ungefähr zwei Monaten gesagt habe, es wird die Zeit kommen, da wirst du etwas entdecken, was sich Einsamkeit nennt, Tyler. Du wolltest das nicht hören (und welcher junge Mensch will das schon?), aber ich habe den Verdacht, daß du jetzt da unten in Los Angeles so etwas entdeckt hast. Meine Annahme gründet sich nicht auf einer magischen Vorahnung meinerseits oder so was, sondern sie ist eher ein Rückschluß. Stephanie rief hier vor zwei Tagen aus Lake Tahoe an und fragte nach einer Brosche, die sie in Lancaster vergessen hat. Ich war, gelinde gesagt, überrascht, daß du nicht bei ihr warst. Sie hat dich verlassen, he?
Sie hat sich als ein geldgieriges kleines Biest entpuppt, nicht wahr? (Faß dir an die eigene Nase, Jaz. Liebling, ich werde jetzt lieber ruhig sein, zumal ich deine wahren Gefühle für Steph nicht kenne. Ein weiser Rat von mir, mein Sohn: Gib nie einen negativen Kommentar über einen gerade fortgegangenen Liebhaber gegenüber dem armen
Weitere Kostenlose Bücher