Shampoo Planet
64 Wachsstiften in einem Laden für Grafik- und Zeichenbedarf. Ich erledige meinen Kauf und gehe wieder hinaus; die Quittung hebe ich gut auf. Ich bin jetzt ein geschäftliches Unternehmen.
Gerade als ich den Laden verlasse, gibt es ein kleines Erdbeben - nichts Dramatisches, aber doch stark genug, um sämtliche Auto-Alarmanlagen im Los Angeles Basin auszulösen. Vom Wilshire Boulevard bis Compton brandet der Lärm auf. Ich setze mich in der Sonnenhitze auf die Stufen und höre zu, wie eine Alarmsirene nach der anderen verstummt, bis wieder nur das gedämpfte Rumoren der Stadt zu hören ist, die sonnenüberflutet weiter ihrem kollektiven Traum nachhängt.
Autos fahren die Straßen der Stadt hinunter, Pflanzen wachsen aus ihrem Boden, Wohlstand wird in ihren Mauern erzeugt, Hoffnung wird in den Köpfen und Seelen ihrer Einwohner geschöpft und verloren und wiedergewonnen, und sie fährt fort in ihrem Traum und ihrer Suche nach Ideen, die sie stark machen.
57
Ich bin ein Star im Anfertigen der Sterne von Stars. Mit Wachsstift rubble ich die auf dem Bürgersteig des Hollywood Boulevards eingelassenen Messingsterne berühmter Stars durch. Für einen Stern brauche ich dreißig Sekunden, und ich kann ihn in jeder Farbe bieten. Meine Betriebsunkosten sind gering - einen Verkaufsstand brauche ich nicht. Ich zeichne einfach Elvis oder Marilyn nach, und Angebot und Nachfrage ergeben sich simultan, da die Horden von Touristen es gar nicht abwarten können zu blechen. Was ich sonst noch brauche? Nur Gummibänder zum Einrollen der Beute.
Ich knie auf dem Pflaster, um mir neuen Wohlstand zu schaffen. Ich muß an die Paraden denken damals in Lancaster, als ich noch klein war und mir schöne Frauen in Atomreaktor-Kostümen aus Pappmache Bonbons zuwarfen und wie ich glücklich auf dem Bürgersteig auf allen vieren umherkrabbelte und, genau wie jetzt, die reiche Fülle des Lebens einsammelte.
Einige Tage später schreibe ich auf mein weißes T-Shirt mit Filzstift:
StarsSterne $ 5.00
»Hey, Mister«, fragt eine alte Dame mit kastanienbraunem Haar, »wissen Sie, wo Lucys Stern ist?«
Jeder nimmt einfach an, ich sei ein Freak, weil ich tue, was ich tue, obwohl ich ganz harmlos Jeans und T-Shirt trage. Ein Blindenhund leckt mein Gesicht. Die Luft ist ekelhaft. Ich niese und verschleimte graue Klümpchen kommen aus meiner Nase geschossen wie die kleinen grauen Mäuse, die in den Wasserrohren der Pariser Metro ein und aus flitzen.
Ich bin zu einem Magneten der Straßenfreaks geworden, und der üppige Wohlstand des Boulevardbetriebs fliegt mir nur so zu - nicht so sehr, um mich in ihr Leben einzubeziehen, als vielmehr, um sich einen geographischen Anker für ihr eigenes Leben zu verschaffen, um zu vermeiden, daß sie sich vorkommen wie ein unverkaufter Weihnachtsbaum, der am Morgen des 26. Dezember in der Straßengosse liegt. Gelegentlich fragt mich ein Straßenfreak nach der Uhrzeit, ob ich einen Orangensaft haben oder ob ich mal an ihrer Zigarette, oder was immer sie rauchen, ziehen will; dabei verrenken sie das Gesicht, als hätten sie gerade eine Handvoll Diätpillen geschluckt und einen Haufen schlechter Nachrichten erhalten. Sie fordern nichts. Sie sind die einzige Gruppe, zu der ich jetzt gehöre. Ihr Haar ist wirr; ihr Paradies das Whisky a Go-Go; ihre Musik schnell und hart geschlagenes Metall. Des öfteren schenke ich ihnen eine Pauszeichnung von James Deans oder Elizabeth Taylors Stern, und sie sind glücklich und unterhalten mich für ein paar Stunden, während Touristen aus Japan und Deutschland und Ohio Erinnerungen an Lucy und Marlon Brando erstehen, zwischen Gesprächsfetzen wie:
»Echt, du, heute morgen kleckert sich Danny Bratenfett auf den Schoß, und nachmittags ist er dann oben in Benedict Canyon und macht seine Deals, und diese Dobermänner springen ihn an und zerfetzen seine Oberschenkel.«
»Ich kann dir sagen, Mann, das alles stammt von Tolkien.«
58
Durchschlagender Erfolg! Am nächsten Nachmittag gehe ich mit den Taschen voller Geld nach Hause (Monatsprofil des Jungunternehmers: »Tyler Johnson - Emporgerubbelt in Hollywood«). In meinem Briefkasten erwarten mich zwei Briefe. Der eine ist von Jasmine, der andere von Daisy. In meiner überschwenglichen Laune reiße ich zuerst Jasmines Brief auf. Sie schreibt mir folgendes:
5. Dezember Lieber Tyler,
ich glaube, wenn wir geboren werden, stattet man uns alle mit einem Schleier aus, der verhindern soll, daß wir
Weitere Kostenlose Bücher