Shane - Das erste Jahr (German Edition)
Probe war sie erschöpft. Gleichzeitig fühlte sie sich frei und leicht. Sie war heute auf der Kugel gelaufen, so schnell wie noch nie, sie war im Takt zu der Musik getippelt, die über den Köpfen der Kinder spielte, eine schnelle Musik, leicht und flott war sie durch die Manege getanzt.
Shane verließ das Zirkuszelt und ging gleich nach Hause.
Es war schon spät, und sie hatte keinen Zeitpuffer mehr, außerdem war es dunkel, viel dunkler als sonst, die schwarzen Wolken legten sich wie ein Tuch über die Stadt. Wie ein unheilvolles Zeichen.
Shane betrat ihr Zimmer und blieb stehen. Sie schaute sich um. Irgendetwas war anders. Was …Sie rümpfte die Nase. Dieses Parfüm kannte sie.
Sie rannte zum Schrank, schob die Sachen beiseite, fuhr mit der Hand an der Rückseite entlang und riss den Zettel ab.
„Chuck Norris macht Schattenspiele im Dunkeln.“ Shane prustete los.
„Wetterfühlig. Schon immer zeige sich unsere Stadt als sehr vom Wetter beeinflussbar, wird Bürgermeister Waller zitiert. Sei es in den heißen Sommermonaten, in denen sich die Hitze über die Stadt lege und die Bürger fast erdrücke; sei es der Herbst, der in seinen malerischen Farben umherginge und selbst die einst abgebrannten Bäume in solchen Farben erstrahlen lasse, dass sogar die überregionale Presse einmal vom Indiansummer mitten in Deutschland sprach; oder sei es der Winter, der einmal mehr alle mit eisiger Faust gepackt hat und nicht so schnell loslassen wolle.
Diese poetischen Ergüsse unseres Bürgermeisters entstanden auf die Frage, warum sich jedes Jahr das mehr oder wenig freudige Gebaren der Einwohner wiederhole, natürlich mit dem Wink auf die derzeitig schlimme Situation in der Innenstadt.
„Keine Sorge, liebe Bürger!“,so Waller, „Der einberufene Bund zwischen Polizei und Sicherheitsexperten entwirft ein Sicherheitskonzept, dass die Lage in der Stadt entspannen dürfte.
Bis dieses Konzept vorgestellt wird, bitte ich sie, sich an die bisher geltenden Schutzmaßnahmen zu halten.“ Eine Pressekonferenz ist für die kommende Woche geplant.“
Der Besuch in der Bibliothek war nicht sehr erfolgreich gelaufen. Eigentlich gar nicht. Shane hatte das Buch zurückgegeben, die mit der Brille hatte sie stillschweigend gemustert, dann hatte Shane fast alle Bücher, die das Archiv hergab, durchgeblättert und nichts gefunden, das ihr weiterzuhelfen schien. Schließlich hatte sie die Bibliothek ohne ein neues Buch verlassen, sie war sich sicher, dass es noch andere geben musste. Doch wo?
Sicherlich würde sie mehr erfahren, wenn sie den kleinen Gang erreichen würde. Doch das schien ihr unmöglich.
Shane war durch den Park gegangen, trotz der dunklen Wolken, sie war über die kleine Brücke geschlendert, die über den gefrorenen See führte, sie war über die Wege gelaufen, die zwischen den Bäumen entlangführten.
Nun lief sie auf der Straße, die direkt zum Marktplatz führte; Shane wusste genau, wo sie war, sie hatte das Mandala vor Augen.
15.34 Uhr.
Sie lief an der zweiten Mauer entlang. Würde sie die linke Hand ausstrecken, könnte sie die Mauer berühren.
Dann blieb sie stehen. Irgendetwas stimmte nicht. Sie schaute sich um. Ein paar Menschen liefen auf den Straßen umher, sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Nichts.
Außer, dass es sehr dunkel war. Und es schien immer dunkler zu werden. Shane schaute nach vorn. Unsicher setzte sie wieder einen Fuß vor den anderen. Sie hatte noch genügend Zeit, doch sie begann schneller zu laufen. Am nächsten Mauerdurchbruch bog sie nach links ab und befand sich direkt auf der Straße, die sie aus der Stadt hinausführen würde.
Shane blieb stehen. Ihr Herz klopfte laut und schnell. Es war still. Still und dunkel. Sie sah sich um. Auf der Straße war niemand außer ihr selbst. Shane atmete langsam aus. Weißer Rauch trat in die Kälte und wurde schwarz. Sie starrte ihm hinterher und versuchte sich einzureden, dass es nichts zu bedeuten hatte. Es gelang ihr nicht.
Ein seltsames Gefühl schlich in ihr hoch und ließ ihr das Herz bis zum Halse schlagen. Sie drehte sich langsam um und schrie auf, als sie in die Augen unter dunklen Kapuzen blickte.
Reflexartig wandte sie sich um und lief los. Sie rannte atemlos durch die enge Gasse, ihre Stiefel berührten den vereisten Boden, dunkle kalte Mauern umgaben sie.
Hinter sich hörte sie die Dunklen rennen.
Sie waren leise, ihre Schritte wie ein Flüstern in der Nacht, und Shane war sich sicher, dass nur
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