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Shanera (German Edition)

Shanera (German Edition)

Titel: Shanera (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Schön
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senkte die Stimme. „Aber sie sind auch selbst keine Götter. Vielleicht gibt es irgendwo welche, aber alles, was man uns darüber erzählt hat, ist nur ein Haufen Märchen.“
    „Zela!“ Shanera war schockiert. Sie hatte sich nie für besonders religiös gehalten, doch die Götter gehörten zu ihrer Welt. Auch wenn sie nicht glaubte, dass sie sich besonders um die Lebenden kümmerten, ging sie doch fest davon aus, sich nach ihrem Tod vor den Höheren für ihre Taten rechtfertigen zu müssen. „Zela, bitte sag so etwas nicht! Das kannst Du nicht wissen!“
    „Mir sind die Augen geöffnet worden. Du hattest mehr recht, als Du ahntest. Wir wissen nichts und müssen noch sehr viel lernen.“
    „Aber …“ Shanera fühlte Panik aufsteigen. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie wollte etwas lernen, ja – aber nun … Die Grundfesten ihrer Welt wurden in Frage gestellt. Von ihrer Freundin, die sich einen Sonnenzyklus lang nur mit den Lehren der Götter befasst hatte!
    Offenbar war Zela ihr plötzlich einen Schritt voraus, was die Akzeptanz neuer Umstände anging. Tief durchatmen. Sie musste die Kontrolle zurückgewinnen.
    „Zela – Du meinst also wirklich, mit Deiner ganzen Erfahrung und Tempelausbildung, dass wir alles, was wir über die Götter wissen, in Zweifel ziehen müssen?“
    „Alles, was wir glauben, zu wissen.“ Zela warf die Arme in die Luft. „Alles, was wir glauben und eben nicht wissen! Dieser Vogel ist nur ein Beispiel – der sich lösende Stein, der die Felswand zum Einsturz bringt. Überleg doch mal! Nichts, was die Templer über die Götter erzählen, ist irgendwo belegt oder nachweisbar außer in den alten Schriften, die wiederum von den Templern selbst kommen. Für alles könnte es eine andere Erklärung geben, wie wir sie hier gerade bekommen haben. Wenn wir einmal so viel über die wirkliche Welt wissen wie sie“ – sie zeigte auf Kessy, die mit großen Augen die Diskussion verfolgt hatte – „wo bleibt da noch Platz für die Götter?“
    „Aber … Du kannst die Existenz der Götter doch nicht ausschließen!“ Shanera suchte nach dem Strohhalm.
    „Nein.“, gestand Zela nach kurzem Zögern zu. „Das wohl nicht. Aber wenn ihre Zeichen nicht echt sind, was für einen Einfluss haben sie dann auf unser Leben? Sind sie jemals in Erscheinung getreten? Haben sie Dir schon einmal geholfen?“
    Shanera dachte an den Tod ihrer Eltern und ihre schwierige Kindheit. „Offensichtlich war es jedenfalls nicht.“, murmelte sie.
    Zela setzte zu weiteren Ausführungen an, schwieg dann aber. „Mach Dir selbst Deine Gedanken. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Im Moment fürchte ich, ich habe den letzten Sonnenzyklus verschwendet.“
    Eine unangenehme Stille breitete sich aus.
    Schließlich murmelte Kessy etwas wie: „Ich wusste, ich hätte den Mund halten sollen.“
    Shanera war versucht, zuzustimmen, wollte die Stimmung aber nicht noch weiter runter ziehen. Zelas Reaktion war kaum vorhersehbar gewesen.
    „Was machen wir jetzt?“, fragte sie nach einer Weile.
    „Na ja …“, fing Kessy an, wurde aber von Zela unterbrochen.
    „Woran glaubt Ihr denn? Ihr Ysrens? An gar nichts?“
    Kessy seufzte. „Bitte nimm es mir nicht übel, aber können wir morgen weiter über diese Frage sprechen? Das scheint mir jetzt kein guter Zeitpunkt zu sein.“
    Zela sah zuerst so aus, als wollte sie wieder aufbrausen, aber dann zuckte sie nur mit den Schultern. „Was soll‘s. Es hilft uns sowieso nicht weiter.“ Sie ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken.
    Shanera umfasste nach einer Weile ihr Handgelenk und streichelte sie mit dem Daumen, um ihrer Freundin etwas Beistand zu leisten. Zela zuckte fast unmerklich zusammen, sie ließ sich davon aber nicht beirren. Ihre Freundin schwieg und starrte düster vor sich hin.
    Kessy stand auf. „Hört mal, es tut mir leid, dass ich Euch so … beunruhigt habe. Ich wollte Eure Überzeugungen nicht angreifen.“
    Shanera runzelte die Stirn. Genau genommen hatte Kessy das ja auch nicht. Sie hatte ihnen nur ein paar Dinge erzählt, die die Ereignisse in neuem Licht erscheinen ließen. Jemand anders hätte sich vielleicht entschlossen, die Neuigkeiten zu ignorieren, abzustreiten oder einfach als Ausnahme einzuordnen. Dem letzteren war sie selbst nicht abgeneigt.
    Zela jedoch hatte für sich die Konsequenzen gezogen und entschieden, dass den Lehren über die Göttlichen nicht mehr zu trauen war. Glücklich machte sie das offensichtlich nicht, aber wer

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