Shanera (German Edition)
dann war er ihnen gefolgt und saß jetzt auf einem der Bäume hinter ihnen.
Zela schloss die Augen und sog genüsslich den verlockenden Essenduft ein. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Es war erstaunlich, um welch kleine Dinge man manchmal froh sein konnte.
„Macht Dir das eigentlich nichts aus, Shanera, wenn Du unterwegs kein vernünftiges Lager hast und kein warmes Essen?“
„Na ja, schon, aber das ist eben manchmal so. Wenn das der Preis ist, den ich bezahlen muss, dann werde ich mich sicher nicht beschweren.“
„Tja, wenn Du das sagst. Vielleicht bin ich doch ein wenig bequem. Ich werde versuchen, Euch nicht mit meinen Klagen zu belästigen.“
„Klage nur, Zela, wir werden auch das überstehen. Außerdem hast Du ja recht, ein gutes Essen und ein ordentlicher Schlafplatz haben noch keinem geschadet.“ Sie schaute in den Topf und rührte ein wenig herum. „Die Suppe ist fertig. Lasst es Euch schmecken.“
Die nächste Zeit wurde wenig gesprochen. Erst als die letzten Reste verputzt waren, fiel Shanera ein, dass sie noch eine Aufgabe hatte. Sie kramte ihre Zeichenutensilien hervor und begann, auf einer der leeren Rollen eine sorgfältige Zeichnung ihrer gestrigen Begegnung mit dem Flugwesen anzufertigen. Weil sie gerade dabei war, fügte sie auch noch eine Zeichnung von Windbote hinzu. Das war einfacher, denn er saß nicht weit weg und hatte offenbar nichts dagegen, Modell zu stehen.
Als sie fertig war, betrachtete sie noch mal nachdenklich ihre Zeichnung des Flugwesens. Sie glaubte, die Form aus dem Gedächtnis ganz gut hinbekommen zu haben. Aber die Farbe oder wenigstens die Helligkeit des Dinges bereitete ihr Kopfzerbrechen. Plötzlich kam ihr ein Gedanke.
„Das Flugding war aus Metall.“
„Wie kommst Du darauf?“, fragte Koras überrascht.
„Die Farbe veränderte sich im Licht nicht so, wie es eine matte Oberfläche tun würde. Es waren die Reflexe und Spiegelungen von etwas metallischem!“
„Könnte es nicht auch ein glänzendes Fell oder eine nasse Oberfläche gewesen sein?“
„Na ja, es war ziemlich weit weg, also bin ich nicht ganz sicher. Aber ich denke, es war metallisch.“
„Aber so viel Metall! Und das ist sehr schwer! Wie sollte es fliegen?“, meldete sich Zela.
„Das wüsste ich auch gerne. Ich hoffe, ich werde es noch herausfinden.“ Sie schaute sich zu Windbote um. „Er ist sicher schon weiter herumgekommen als wir. Wenn er sprechen könnte, würde er vielleicht das Rätsel lösen können.“
Der Vogel betrachtete sie aus unergründlichen Augen, aber er gab keinen Laut von sich und nach einer Weile fuhr er damit fort, sein Gefieder zu putzen.
„Zeig mal Deine Zeichnung“, meinte Koras und nahm die Schriftrolle entgegen. „Hey, das ist ziemlich gut. Hm.“ Er studierte die Zeichnung des Flugobjekts genau. „Es war auf der Unterseite ziemlich glatt, das stimmt. Aber das hilft uns auch nicht weiter.“
Er gab die Rolle zurück. „Hör mal, wir bewegen uns doch jetzt wieder auf die Kante zu und Du sagst, dieser Aussichtspunkt ist vorgelagert. Werden wir nicht wieder auf Dörfer stoßen, wenn wir die Wand durchqueren? Die haben das vielleicht auch schon mal gesehen.“
„Na ja, der Berg liegt ein ganzes Stück wandabwärts. Wir werden ziemlich direkt absteigen auf einem Kletterpfad, falls wir ihn finden. So weit ich weiß, kommen wir nicht an einem Dorf vorbei und ich hatte auch nicht vor, eines aufzusuchen. Das würde nur Probleme machen. Jeder sieht, woher wir kommen“, sie deutete auf ihre Tätowierungen, „und sie werden wissen wollen, mit welchem Auftrag wir so weit unterwegs sind und uns jede Menge Ärger machen.“
„Wir könnten uns irgendeine Aufgabe einfallen lassen.“
Zela schaltete sich ein. „Nein, Shanera hat recht. Wenn wir so weit unterwegs sind, brauchen wir ein Schriftstück oder etwas ähnliches, um uns auszuweisen. Die Priester und die Ältesten hier werden nicht anders sein als bei uns, und das heißt, sie werden gegen alles vorgehen, was ihre Regeln verletzt und ihre Autorität untergräbt.“ Plötzlich erschienen ihr solche Regeln viel zweifelhafter, als sie dies früher immer angenommen hatte.
Shanera sah sie ein wenig erstaunt an, sagte aber nichts, sondern beschränkte sich darauf, zustimmend zu nicken.
Koras gab nach. „Also gut, Ihr werdet es wohl wissen. Aber heißt das nicht auch, dass wir in unserem eigenen Dorf Ärger kriegen, wenn wir wieder zurückkommen? Wir haben bestimmt keinen
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