Shanera (German Edition)
Sandläufe später waren sie bereits im Dschungel, beinahe jedenfalls. Noch nicht im Tiefland, sondern immer noch hoch an der Flanke des Berges, auf dessen Spitze sie ihr weiteres Vorgehen geplant hatten. Doch der Abstieg an der Südseite führte schnell in dicht bewachsenes Gebiet.
Obwohl der Boden hier noch vergleichsweise trocken und von Felsen durchsetzt war, war jeder freie Platz mit Bäumen, Büschen, Ranken, Kräutern, wuchernden Stauden und prachtvollen Blütengebilden angefüllt. Kleine Tiere und Insekten huschten durchs Unterholz. Es wurde bald warm und das stetige Geräusch des Windes, das sie so lange begleitet hatte, wurde nach und nach von Rascheln, Summen, Zirpen, Tierschreien, dem Geplätscher von kleinen Rinnsalen und all den anderen Geräuschen des Waldes abgelöst. Es duftete nach Erde und Moos.
Shanera ging voraus und suchte sich einen Weg durch das ungewohnte Pflanzendickicht, dem die anderen folgten. Zum Glück waren die Bäume hier noch nicht so hoch und es gab immer wieder felsige Stellen, an denen man nach dem Himmel und der Sonne sehen konnte, um sich zu orientieren. Sie wollte möglichst gerade Richtung Süden absteigen.
Plötzlich knirschte es unter ihren Füßen und bevor sie reagieren konnte, brach sie mit dem Fuß in den Boden ein, stolperte und konnte sich gerade noch mit den Händen irgendwo festhalten, bevor sie kopfüber bergabwärts gestürzt wäre. „Autsch.“ Vorsichtig zog sie den Fuß aus einem kleinen Hohlraum, dessen Ränder aus scharfkantigem, aber bröckligem Gestein bestanden.
„Ist Dir was passiert?“, rief Koras von weiter hinten. Es waren nur ein paar unbedeutende Schrammen und sie schüttelte den Kopf. „Nein, alles klar.“ Bei näherem Hinsehen bemerkte sie, dass der große Erdhügel hangabwärts, an dessen Rand sie eingebrochen war, verdächtig regelmäßige Formen aufwies. Er war nur von niedrigen Gräsern und Büschen bewachsen.
Sie trat ein paar Mal mit dem Fuß kräftig auf die eingebrochenen Kanten und legte schließlich einen beinahe kugelförmigen Hohlraum frei, einen halben Schritt im Durchmesser. Das Innere war leer, bis auf die abgebrochenen Steinstücke. Ein ungutes Gefühl überkam sie.
„Was ist das?“, fragte Zela. Die beiden standen inzwischen hinter ihr und beäugten den seltsamen Hohlraum.
„Das ist merkwürdig. Seht mal diesen Hügel hier, der sieht doch nicht wie eine natürliche Verwerfung aus. Außerdem scheint es da noch mehr von diesen Blasen zu geben.“ Shanera zeigte auf einige kleinere Löcher im Boden voraus. „Wir gehen lieber außen herum.“
Koras hob ein Stück der Kruste auf. Das Material war ein Zwischending aus porösem Stein und festgebackenem Sand. Anders als die ihm bekannten Gesteine und auch nicht zu vergleichen mit den Tonsorten, aus denen die Kuppeln im Dorf teilweise gebaut waren. Kopfschüttelnd warf er das Bruchstück wieder weg und folgte den anderen um die Anhebung herum.
Kurz darauf stießen sie auf eine ausgewaschene, felsige Rinne, die ihnen das Vorankommen bergabwärts wesentlich erleichterte. Sie führte durch eine Art Schlucht. Die Wände zu beiden Seiten wurden immer höher und fielen dann aus einer Höhe von vielleicht zwanzig Schritt unvermittelt bis auf Bodenhöhe ab, eine weite, freie, nur leicht abfallende Fläche eröffnend. Der Pflanzenbewuchs war hier nicht allzu dicht, aber dafür bot sich ihnen ein anderer, völlig unerwarteter Anblick. Mit offenen Mündern blieben sie am Ausgang der Schlucht stehen.
„Bei den Göttern.“, sagte Zela. „Wo sind wir hier?“
Die vor ihnen liegende weite Fläche war angefüllt mit einer Vielzahl verschiedener, manchmal riesiger Kuppelkonstruktionen. Es waren ineinander verschachtelte, zum Teil übereinander liegende Gesteinsblasen. Vielfach waren sie eingebrochen und durchlöchert, teilweise mit weiten Bögen oder Brücken verbunden, skelettartige Steingerippe neben wuchtig und massiv aussehenden, gut erhaltenen Teilstücken.
Ein dreidimensionales Labyrinth aus Stein, besser gesagt aus dem steinartigen Material, das sie zuvor schon gesehen hatten. Jetzt erklärten sich auch die kleineren Blasen, von denen eine Shanera zuvor beinahe zu Fall gebracht hatte. Dort, wo größere Kuppeln eingebrochen waren, konnten sie sehen, dass die Wände schwammartig aus aneinander klebenden hohlen Gesteinsblasen aufgebaut waren.
„Das ist ja toll.“, sagte Shanera, die schon näher an eine der großen Kuppeln herangegangen war und die Bruchkante betrachtete.
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