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Shanera (German Edition)

Shanera (German Edition)

Titel: Shanera (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Schön
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Von einem dunkel gefärbten rundlichen Körper, der um einiges war größer als ihr eigener Rumpf, ging eine Vielzahl von Armen aus. Teilweise rankten sie sich um den Baum, teilweise tasteten sie in der Luft umher. Es schien acht dieser gelenklosen, flexiblen, am Ende schlank auslaufenden Gliedmaßen zu geben, die etwa zwei bis drei Schritte lang waren. Augen oder Mund waren nicht zu erkennen.
    Shanera erinnerte das an die monstergroße Ausgabe einiger ekliger Viecher, die in tiefen Höhlen lebten. Sie blickte sich um und versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Diesem abartigen Tier wollte sie lieber nicht zu nahe kommen. Vielleicht konnte sie sich in die andere Richtung davonmachen. Doch schnell erspähte sie einige verdächtige Formen in den Bäumen ringsum. Die Schatten! Und tatsächlich, wenn man darauf achtete, konnte man die Umrisse einiger sich windender Arme erkennen. Sie schien umzingelt.
    Langsam bewegte sie sich nach vorne, in der vagen Hoffnung, zwischen dem vor ihr befindlichen Untier und einem der seitlichen Schatten hindurch huschen zu können. Doch das Wesen streckte einige seiner Arme aus und schwang sich lässig zum nächsten Baum hinüber, so dass es wieder genau vor ihr war. Offenbar hatte es nicht die Absicht, sie vorbei zu lassen.
    Sie tastete nach ihrer Pfeilwaffe.
    Das übergroße Wesen, welches sie nicht aus den Augen ließ, schaukelte leicht hin und her und reckte einen Arm in ihre Richtung.
    Shaneras Finger schlossen sich um den Griff der Waffe. Sie zog sie hervor, immer darauf bedacht, keine plötzliche Bewegung zu machen.
    Nur fünf Schritte trennten sie von dem Untier. Für den Bogen war das zu nah, und auf einen Nahkampf mit dem Messer wollte sie sich nicht einlassen. Die neue Waffe schien doch etwas für sich zu haben.
    Sie hob die Pfeilwaffe in Richtung des Wesens. Dieses schien sich aufzurichten, wie in einer Drohgebärde. Zwei seiner Arme rankten sich rechts über den von Shanera angepeilten Fluchtweg.
    Sie zielte auf den dunkelbraunen Körper, ein wenig seitlich, legte den Finger auf den Auslösemechanismus und spannte ihren Körper für einen Sprint.
    Doch sie hatte ihre Rückendeckung vernachlässigt und einen Moment, bevor sie den Pfeil abschoss, schlang sich ein kräftiger Greifarm um ihr Handgelenk und riss es nach oben. Das Geschoss löste sich zischend und verschwand harmlos im Blätterdach. Bevor sie noch reagieren konnte, packte ein weiterer Arm die Waffe, riss sie los und warf sie auf den Boden. Einige Momente später fand sich Shanera, von hinten an beiden Armen und Beinen festgehalten, in der Gewalt eines der Wesen, die vorher in den Bäumen gelauert hatten. Das vor ihr befindliche Tier hangelte sich währenddessen an einigen Ästen heran, bis es nur noch eine Armlänge von ihr entfernt war.
    Entsetzt versuchte die Gefangene, sich loszureißen, doch der Griff der Fangarme war unnachgiebig und sie konnte nichts ausrichten, so sehr sie auch zappelte.
    Das Wesen, das sie zuerst gesehen hatte, war jetzt direkt vor ihr. Sie konnte sehen, dass seine graubraune Haut runzelig und verschrumpelt war. Es befanden sich viele kleine Öffnungen darin, in denen es schwarz glitzerte. Vielleicht waren das seine Augen? Der massige Körper bewegte sich langsam hin und her, während Shanera ihn angstvoll anstarrte. Sie erwartete jeden Moment ein aufgerissenes Maul, einen Giftstachel oder ähnliches zu sehen.
    Doch die Momente vergingen, und nichts Schlimmes passierte. Shanera versuchte, etwas ruhiger zu atmen. Was passierte hier? Was hatten die Achtarmigen vor? Plötzlich wurde ihr klar, dass es sich nicht um einfache Tiere handeln konnte. Solche hätten niemals ihre Waffe als eine Gefahr erkannt und so gezielt angegriffen wie diese Wesen.
    Zudem machten Tiere normalerweise keine Gefangenen. Es waren inzwischen einige dutzend Herzschläge vergangen, seit sie sich wehrlos in der Gewalt dieser Wesen befand, und sie lebte immer noch.
    „Ihr müsst intelligent sein.“, flüsterte sie schockiert.
    Was hatte sie sich nur gedacht? Shanera hatte einfach angenommen, dass es sich um Tiere handelte, und noch dazu um feindliche. Sie war mit der Waffe zur Hand gewesen, ohne überhaupt richtig nachzudenken. Tatsächlich hatten die Achtarmigen gar nicht angegriffen, sondern waren vielleicht nur neugierig gewesen. Sie hatten sich erst verteidigt, als Gefahr drohte – von Shanera.
    Beschämt ließ sie den Kopf hängen.
    „Ich bin ein Idiot.“, murmelte sie. „Ich wollte Euch nichts tun.

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