Shanera (German Edition)
zuvor Kessy.
„Mäßigt Euch, Alnidas.“, versuchte der Vorsitzende einzuschreiten. „Wir sind hier, um mit unseren Gästen zu verhandeln.“
„Nein, wir haben genug verhandelt. Dies ist eine öffentliche Ratssitzung und ich beantrage, das ursprüngliche Thema abzusetzen und stattdessen eine Krisensitzung abzuhalten.“
„Und welche Krise sollte das sein?“, erkundigte sich der Vorsitzende leicht irritiert.
„Genau die Krise, von der ich gerade sprach. Fremde unterwandern unsere Gemeinschaft und die Stadtregierung unternimmt nichts dagegen.“
„Ihr könnt nicht allein eine Krisensitzung ausrufen. Ihr braucht mindestens …“
„… ein Drittel der Ratsstimmen.“, fiel Alnidas dem Vorsitzenden ins Wort. „Es gibt genügend, die meiner Meinung sind. Lasst uns abstimmen.“ Von den Ratsmitgliedern um ihn herum kam zustimmendes Murmeln, während im übrigen Saal unsicheres Raunen anbrach.
„Kann er das tun?“, flüsterte Shanera Rey zu.
„Ich kenne leider nicht alle der hiesigen Regeln. Aber ich fürchte mal, er weiß, was er tut.“, bekam sie zur Antwort.
„Das ist nicht gut, oder?“
„Nein, ganz und gar nicht. Wir können nur hoffen, dass er weniger Zuspruch hat, als er glaubt.“
Eris von den Fortschrittlichen stand auf und erhob die Stimme. „Diese Vorwürfe sind ungeheuerlich und geradezu absurd. Unsere Gäste haben nichts getan, was diese Anschuldigungen rechtfertigt. Dieser Antrag ist ein Vorwand, um unsere Gäste zu beleidigen und damit die Verhandlungen zu sabotieren.“
Die Stimmen im Saal wurden lauter, Diskussionen unter den Ratsmitgliedern brachen aus. Der Vorsitzende beriet sich mit den neben ihm sitzenden Männern. Schließlich zuckte er resigniert mit den Schultern und erhob das Wort.
„Ruhe bitte! Ratsmitglied Alnidas hat die Abhaltung einer Krisensitzung beantragt. Obwohl ich die Begründung dafür ebenfalls nicht für sehr stichhaltig halte, steht es mir nicht an, allein darüber zu entscheiden. Wir werden jetzt abstimmen. Ich bitte unsere Verhandlungspartner um Entschuldigung für diese Änderung der Tagesordnung. Da es letztlich um die weiteren Verhandlungen geht, solltet Ihr wohl bleiben.“
Niemand erhob Einspruch. Rey stand auf und nickte kurz. „Ich danke Euch. Ich kann Euch versichern, dass wir keine bösen Absichten haben. Selbstverständlich respektieren wir Euer Verfahren und werden uns allen Fragen stellen, die möglicherweise bestehen, ob mit oder ohne Krisensitzung. Es ist schade, dass der ehrenwerte Alnidas sich mit seinen Bedenken nicht direkt an uns gewendet hat.“
Der so Angesprochene schickte sich an, etwas zu erwidern, wurde jedoch von Irinos unterbrochen. „Alnidas ist es, der nur seine eigenen Interessen vertritt! Ihr könnt diese Abstimmung nicht zulassen!“, ereiferte er sich, erreichte damit jedoch nur, dass der Vorsitzende ihn zur Ruhe ermahnte.
Die Ratsmitglieder erhoben sich und gingen nacheinander zu einer Abstimmungsurne. Jeder erhielt eine kleine Metallkugel, die er dann, von einem kleinen Sichtschutz verdeckt, in eine von zwei Öffnungen steckte, die Zustimmung oder Ablehnung repräsentierten. Die Zuschauer verfolgten raunend die Stimmabgabe und diskutierten die möglichen Ergebnisse.
Nachdem alle ihre Stimmen abgegeben hatten, öffnete der Vorsitzende eine Klappe an der Rückseite. Die Kugeln rollten klackend in zwei schräg aufgestellte Behälter mit Markierungen, die das schnelle Zählen erleichterten.
Nach einem Blick auf das Ergebnis verzog der Vorsitzende kurz das Gesicht und ging dann zu seinem Platz zurück. Die Ratsmitglieder, die die Öffnung der Urne beobachtet hatten, begaben sich ebenfalls an ihre Plätze.
„Wir haben mehr als das notwendige Drittel an Stimmen für eine Krisensitzung. Damit wird der Antrag angenommen.“
Rey seufzte und auch einige der Ratsmitglieder sahen unglücklich aus.
Der Vorsitzende fuhr fort: „Ratsmitglied Alnidas möge bitte darlegen, warum er die aktuelle Situation – die mir, wenn ich das so sagen darf, sehr ruhig erscheint – für eine Krise hält, die hier behandelt werden muss. Weiterhin sind wir auf seine Vorschläge gespannt.“
Alnidas wirkte ob dieser Ankündigung zunächst leicht irritiert, fing sich aber schnell wieder. Er begann mit einer etwas überspitzt formulierten Rede, in der er im Wesentlichen seine vorigen Aussagen und Anschuldigungen wiederholte. Angereichert war das Ganze mit Verweisen auf den wahren Glauben und seine Lehren, von denen man sich nicht abbringen
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