Shannara I
hineinpumpte. Er versuchte nicht zu denken, wollte sich nicht erinnern, wünschte nur, sich im Frieden und in der Stille des Felsentunnels zu verlieren. Nach langer Zeit endlich zwang er sich auf die Knie und schließlich auf die Beine. Er lehnte betäubt am kalten Gestein der Tunnelwand, während er darauf wartete, daß seine Kraft wiederkehrte. Erst jetzt sah er, daß seine Kleidung zerfetzt und verkohlt war, dass die Hitze Hände und Gesicht versengt und geschwärzt hatte. Er schaute sich langsam um und richtete sich auf. Die trüb flackernde Fackel vorne an der Wand zeigte die Richtung, in welcher der gewundene Gang verlief, und er stolperte nach vorn, bis er die Fackel erreichte. Er zog sie aus der Halterung und schlurfte weiter. Irgendwo vor sich hörte er Geschrei, und instinktiv zuckte seine freie Hand zum Griff des kurzen Jagdmessers. Er zog die Waffe heraus. Nach einigen Minuten schien sich der Lärm zu entfernen und schließlich zu verstummen, aber gesehen hatte Flick noch immer nichts. Der Korridor wand sich auf merkwürdige Weise durch den Fels und führte Flick an mehreren Türen vorbei, die alle geschlossen und verriegelt waren, aber der Weg ging nie nach oben und es gab auch keine Abzweigungen. Immer wieder wurde die Dunkelheit vom schwachen Licht einer an der Wand befestigten Fackel erhellt, deren gelber Schein Flicks Schatten an die andere Wand warf wie den eines mißgestalteten Gespenstes, das in die Dunkelheit entfloh.
Dann wurde der Tunnel plötzlich breiter, und das Licht vor Flick wurde heller. Er zögerte einen Augenblick und umklammerte sein Messer fester, das Gesicht von Rauch und Schweiß verschmiert, aber grimmig entschlossen. Es war nichts zu hören, als er langsam weiterschlich. Er wußte, daß es irgendwo eine Treppe geben mußte, die zur Haupthalle der Druidenfestung führte. Die Suche nahm nun schon lange Zeit in Anspruch und war bisher nutzlos gewesen, und er spürte, daß seine Kraft nachließ. Zu spät bedauerte er, zurückgeblieben zu sein und zugelassen zu haben, daß er von den anderen getrennt wurde. Nun saß er in den unergründlichen Korridoren inmitten Paranors in der Falle. Mit den anderen mochte inzwischen alles mögliche geschehen sein, dachte er bedrückt, und er fand sie vielleicht nie bei dieser Wanderung im Labyrinth. Er huschte weiter um eine Biegung, die Muskeln angespannt, und starrte vorsichtig ins Licht. Zu seiner Überraschung sah er sich am Eingang zu einer runden Kammer, in die auch noch eine Reihe anderer Gänge führte. An der Wand brannte ein gutes Dutzend Fackeln. Er atmete erleichtert auf, als er sah, daß die Rotunda leer war. Dann begriff er, daß sich seine Lage nicht verbessert hatte. Die anderen Gänge sahen genau so aus wie jener, durch den er hierhergekommen war. Es gab keine Türen, die in andere Räume hätten führen können, keine Treppen nach oben, keinen Hinweis darauf, welchen Weg er nun einschlagen sollte. Er schaute sich verwirrt um, verzweifelt bemüht, einen Gang vom anderen zu unterscheiden, aber seine Hoffnung schwand mit jedem Augenblick mehr. Schließlich schüttelte er bedrückt den Kopf. Er trat an die Wand, setzte sich müde und schloß die Augen, während er sich die bittere Wahrheit eingestand, daß er sich hoffnungslos verirrt hatte.
Auf Allanons Befehl hin waren die anderen zur Treppe gestürzt. Durin und Dayel waren ihr am nächsten gewesen, und da sie am schnellsten laufen konnten, waren sie schon auf halbem Weg die Stufen hinaufgestürmt, bevor die anderen mit dem Aufstieg auch nur begonnen hatten. Ihre biegsamen Elfenglieder trugen sie in schnellen, leichten Sprüngen hinauf. Höndel, Menion und Balinor hetzten ihnen nach, ein wenig behindert durch ihre schweren Waffen und ihr größeres Gewicht. Teilweise störten sie sich auch gegenseitig, als sie sich bemühten, auf der engen Wendeltreppe nicht übereinander zu stolpern. Es war ein wilder, ungehemmter Sturm nach oben, und in der allgemeinen Hast wurde Flick nicht einmal vermißt.
Durin stürmte als erster durch den Eingang und stolperte beinahe in die große Halle, gefolgt von seinem Bruder. Die Halle war überaus eindrucksvoll, ein riesiger, hoher Raum, die Wände ganz aus Holz, poliert, bis sie im gemischten gelben Licht lodernder Fackeln und dem rötlichen Schimmer der durch hohe, schräge Fenster hereindringenden Morgendämmerung prachtvoll glänzten. Die Täfelung war geschmückt mit Gemälden, mit gemeißelten und geschnitzten Figuren aus Stein und Holz auf
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