Shannara I
Stelle knapp über drei Meilen breit und fiel steil ab zur Ebene, die sich offen nach Norden und Westen zum Mermidon-Fluß und nach Osten zu den Wäldern von Callahorn erstreckte. In Wahrheit stellte der breite Strom die erste Verteidigungslinie gegen Angriffe dar, und es war nur wenigen Armeen gelungen, das Plateau selbst und die Stadtmauern zu erreichen. Derjenige, dem es gelang, den Mermidon zu überschreiten, stand bald danach vor der steilen Mauer des Plateaus, das von oben verteidigt werden konnte. Der wichtigste Weg zu dieser Anhöhe war eine große Straßenrampe aus Eisen und Stein, die man durch das Herausklopfen von Bolzen in den Stützen einstürzen lassen konnte.
Aber selbst wenn es dem Feind gelang, die Hochebene zu erklimmen und sich dort festzusetzen, erwartete ihn die dritte Abwehrlinie - eine, die noch kein Feind je überwunden hatte. Kaum dreihundert Meter vom Plateaurand entfernt, erhob sich, die ganze Stadt in einem Halbkreis einschließend, dessen Ende bis zu den Felswänden reichten, die gigantische Außenmauer. Erbaut aus mächtigen Steinblöcken, mit Mörtel zusammengefügt, war die Oberfläche glattgeschliffen worden, so daß ein Erklimmen nahezu ausgeschlossen war. Sie ragte über dreißig Meter in die Höhe, massiv, steil, unbezwingbar. Auf der Mauer waren Brustwehren für die innerhalb der Stadt kämpfenden Männer erbaut, mit Schießscharten, durch die verborgene Bogenschützen auf die Angreifer schießen konnten. Die Mauer war ohne Stil und Form, grob und unbehauen, aber sie hatte seit über tausend Jahren jeden Gegner ferngehalten.
Innerhalb der Mauer war die Grenzlegion in einer Reihe langer, schräg abfallender Kasernen untergebracht, zwischen Gebäuden für die Verwahrung von Vorräten und Waffen. Annähernd ein Drittel der Streitmacht war stets im Dienst, während die anderen zu Hause bei ihren Familien wohnten und ihren Berufen als Arbeiter, Handwerker und Ladenbesitzer nachgingen. Die Kasernen konnten im Bedarfsfalle die ganze Armee fassen, wie das schon bei mehr als einer Gelegenheit geschehen war, aber im Augenblick waren sie nur teilweise besetzt. Hinter den Kasernen, den Arsenalen und Exerzierplätzen gab es eine zweite Mauer, welche die Unterkünfte der Soldaten von der eigentlichen Stadt trennte. Hinter dieser zweiten Mauer standen an den oberen, gewundenen Straßen die Wohn- und Geschäftshäuser der Stadtbevölkerung von Tyrsis, mit Sorgfalt gebaut und gepflegt. Die Stadt erstreckte sich nahezu über das ganze Plateau, von dieser zweiten Steinmauer bis fast zu den Klippen. An der innersten Stelle war eine dritte, niedrige Mauer errichtet worden, mit Zugang zu den Regierungsbauten und dem Königspalast, komplett mit Forum und Parklandschaft. Die Parks um der Palast bildeten das einzige ländliche Element auf der Plateaufläche. Die dritte Mauer diente keinen Verteidigungszwecken, sondern bildete die Demarkationslinie für Staatsbesitz, der dem Gebrauch durch den König vorbehalten war und, was die Parks anging, der Nutzung durch die ganze Bevölkerung. Balinor unterbrach seine Schilderung und wies die Elfen-Brüder darauf hin, daß das Reich von Callahorn eine der wenigen aufgeklärten Monarchien der Welt darstellte. Theoretisch eine Monarchie, beherrscht von einem König, bestand die Regierung auch aus einer parlamentarischen Körperschaft, deren Repräsentanten vom Volk gewählt wurden und für die Verabschiedung der Gesetze verantwortlich waren. Die Bevölkerung war sehr stolz auf ihren Staat und die Grenzlegion, in der nahezu jeder Mann gedient hatte oder noch diente. Es war ein Land, in dem sie freie Menschen sein konnten, und dafür lohnte es, zu kämpfen.
Callahorn war ein Land, das die Vergangenheit ebenso widerspiegelte wie die Zukunft. Auf der einen Seite waren die Städte in erster Linie als Festungen erbaut worden, um die häufigen Angriffe kriegerischer Nachbarn abzuwehren. Die Grenzlegion war ein Überbleibsel früherer Zeiten, als die neu entstandenen Staaten unaufhörlich miteinander Krieg geführt hatten, als ein nahezu fanatischer Stolz auf nationale Unabhängigkeit zu einer fortwährenden Auseinandersetzung über eifersüchtig bewachte Landesgrenzen geführt hatte, als Brüderschaft zwischen den Völkern der vier Länder noch undenkbar war. Die rustikale, altmodische Gestaltung und Architektur war in den schnell wachsenden Städten des tiefen Südlandes nirgends zu finden - Städte, in denen aufgeklärte Kulturen und weniger kriegerische Grundsätze
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