Shannara I
geschlafen?« fragte er sorgenvoll.
»Fast einen ganzen Tag«, erwiderte sie. »Ihr seid erschöpft gewesen, als man uns gestern morgen aus dem Mermidon zog, und ich dachte, Ihr solltet schlafen. Ihr hattet uns gewarnt…«
»Vierundzwanzig Stunden verloren!« stieß Menion hervor. »Ohne den Regen wäre die Stadt schon gefallen! Wir müssen sofort handeln, aber was… Shirl, Euer Vater und der Rat! Ich muß mit ihnen sprechen!« Er griff nach ihren Armen, als sie zögerte. »Stellt jetzt keine Fragen, tut, was ich Euch sage! Wo ist der Ratssaal? Schnell, führt mich hin!«
Ohne auf Antwort zu warten, nahm Menion das Mädchen bei der Hand und zog es durch die Tür hinaus in den langen Korridor. Sie eilten gemeinsam durch das leere Haus hinaus in einen großen Garten mit Rasenflächen und Bäumen, die Köpfe im Regen gesenkt. Die Gehsteige der Gebäude auf der anderen Straßenseite waren halb überdacht, und es blieb ihnen erspart, erneut völlig durchnäßt zu werden. Unterwegs fragte ihn Shirl, wie er in diesen Teil des Landes gekommen sei, aber Menion antwortete ausweichend. Er glaubte, dem Mädchen vertrauen zu können, aber Allanons Warnung, daß keiner die Geschichte von dem verschwundenen Schwert preisgeben solle, hinderte ihn daran, ihr alles zu erzählen. Statt dessen erwiderte er, er sei gekommen, um Balinor gegen die Invasion aus dem Nordland beizustehen.
Sie erreichten das Ratsgebäude, einen hohen, alten Bau, umgeben von verwitterten Säulen, mit Bogenfenstern und massiven Türen. Die Wachen am Eingang hielten sie nicht auf, und sie hasteten durch die langen, gewundenen Korridore und die steilen Treppen hinauf. Der Ratssaal befand sich im dritten Stock des großen Gebäudes. Als sie endlich vor den Holztüren standen, erklärte Shirl, sie werde ihrem Vater und den anderen Ratsmitgliedern mitteilen, daß er sie zu sprechen wünsche. Zögernd erklärte Menion sich bereit, zu warten. Er blieb ungeduldig im Korridor zurück und lauschte dem gedämpften Stimmengewirr, während die Sekunden verrannen und der Regen an die Fensterscheiben trommelte.
Er verlor sich für einen Augenblick in der Ruhe und Einsamkeit des uralten Gebäudes, dachte an seine Freunde und fragte sich, was aus ihnen geworden sein mochte. Vielleicht würden sie nie mehr zusammentreffen wie in den erregenden Tagen auf dem Weg zur Druidenfestung, aber den Mut, die Opferbereitschaft und Treue der anderen würde er nie vergessen.
Vor allem Shea. Er schüttelte den Kopf, als er an seinen ältesten Freund dachte. Wie seltsam, wie unfaßbar fremdartig alles erschien, dachte Menion. Shea und das Schwert von Shannara - sie stammten aus einer Zeit, die langsam zu Ende ging, und waren doch die Hoffnung der Stunde, der Schlüssel zum Leben.
Die schweren Türen zum Ratssaal öffneten sich, und seine Gedanken wurden unterbrochen, als Shirl ihn ansprach. Sie wirkte klein und zerbrechlich unter den massiven Deckenbalken, und ihre Schönheit blendete ihn beinahe. Kein Wunder, daß Palance Buckhannah diese Frau als Gemahlin begehrte. Menion trat auf sie zu, griff nach ihrer warmen, kleinen Hand, und betrat mit ihr den Saal. Er registrierte die alte Strenge des Saales, als er in das graue Licht schritt, das durch die hohen Fenster drang. Um einen großen Holztisch saßen zwanzig Männer, die einander auf seltsame Weise ähnelten - alle alt, vielleicht weise, und entschlossen. Nur ihre Augen verrieten die Sorge um ihre Stadt und die Bevölkerung. Sie wußten, was die Nordland-Armee tun würde, wenn der Regen aufhörte und das Wasser des Mermidon sank. Er blieb vor ihnen stehen und horchte einen Augenblick in die Stille hinein, dann begann er zu sprechen.
Er wählte seine Worte mit Bedacht und beschrieb die riesige Streitmacht, die sich unter der Führung des Dämonen-Lords gesammelt hatte, schilderte kurz seinen langen Weg nach Callahorn, erwähnte Balinor und die anderen Freunde. Vom Schwert, von Sheas geheimnisvoller Herkunft und auch von Allanon sprach er nicht. Als er zum Schluß die Räte aufforderte, ihre Stadt zu retten, solange noch Zeit war, die Bevölkerung zu evakuieren, bevor der Fluchtweg abgeschnitten wurde, empfand er eine seltsame Befriedigung. Er hatte weit mehr als sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um diese Menschen zu warnen. Ohne ihn wären sie vielleicht alle zugrunde gegangen. Es war Menion eine große Erleichterung, daß er seine Aufgabe hatte erfüllen können.
Die Ratsmitglieder bestürmten Menion mit zornigen und
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