Shannara I
weiterrannte, gab dumpfe Laute von sich, auf die Menion keuchend hervorstieß, sie seien bald in Sicherheit.
Der Regen rauschte plötzlich noch heftiger herab, bis man kaum noch einen Meter weit sehen konnte, und der durchnäßte Boden verwandelte sich schnell in einen grasbewachsenen Sumpf. Menion stolperte über eine im Wasser liegende Wurzel und stürzte der Länge nach ins schlammige Gras, während seine kostbare Bürde neben ihm auf den Boden plumpste. Zerschlagen und erschöpft schob sich Menion auf Hände und Knie, das große Schwert in Bereitschaft, und schaute sich nach seinen Verfolgern um. Zu seiner Erleichterung waren sie nirgends zu sehen. Im Sturzbach des Regens und durch den Nebel hatten sie ihn vorübergehend aus den Augen verloren. Es konnte aber nicht lange dauern, bis sie ihm wieder auf der Spur waren… Menion schüttelte heftig den Kopf, um klar zu werden und das Wasser aus den Augen zu bekommen, dann kroch er schnell auf das durchnäßte Bündel zu. Wer immer auch darin stecken mochte, würde von nun an neben Menion herlaufen müssen. Der Prinz von Leah wußte, daß er nicht mehr die Kraft hatte, den anderen zu tragen.
Ungeschickt sägte der Hochländer an den Stricken herum, das Schwert mit nasser Hand umklammernd. Es muß Shea sein! sagte eine Stimme immer wieder in ihm, es muß Shea sein. Die Trolle und der Fremde hatten sich solche Mühe gegeben, unbeobachtet zu bleiben… Die Fesseln schnellten auseinander. Es mußte Shea sein! Er schälte die mit Armen und Beinen strampelnde Person aus den dicken Mänteln.
Dann richtete Menion sich plötzlich auf, wischte den Regen aus den Augen und glotzte. Er hatte eine Frau gerettet.
Kapitel 24
Eine Frau! Weshalb sollten die Nordländer eine Frau entführen? Menion starrte in die klaren, blauen Augen, die ihn unsicher anblinzelten. Es war keine gewöhnliche Frau. Sie war von außerordentlicher Schönheit - dunkel gebräunte Haut über den edel geschnittenen Zügen des runden Gesichts, eine schlanke, graziöse Gestalt, gekleidet in Seide, und ihre Haare…! So etwas hatte er noch nie gesehen. Auch naß und vom herabstürzenden Regen an ihren Kopf geklatscht, schulterlang und tiefer, in dichten Flechten, leuchtete es tiefrötlich im grauen Morgen. Er starrte sie Augenblicke wie in Trance an, dann holten ihn die Schmerzen in den blutenden, zerstochenen Füßen in die Wirklichkeit zurück, ließen ihn wieder an die Gefahr denken, in der sie schwebten.
Er stand schnell auf, und sein Gesicht verzerrte sich, als er seine Füße wieder belastete. Die Müdigkeit durchflutete ihn so stark, daß er sich am liebsten wieder hingelegt hätte. Er schwankte wie ein Betrunkener, auf das große Schwert gestützt. Das angstvolle Gesicht des Mädchens - ja, entschied er, man mußte sie noch ein Mädchen nennen - starrte ihn aus einem grauen Nebel an. Dann war sie plötzlich auf den Beinen, stützte ihn, redete leise auf ihn ein. Er schüttelte den Kopf und nickte dann hilflos.
»Schon gut. Es geht wieder.« Es klang lallend, als er die Worte hervorstieß. »Zum Fluß - wir müssen Kern erreichen.«
Sie machten sich wieder auf den Weg durch Nebel und Regen, mit schnellen Schritten, manchmal auf dem glitschigen Boden nur mühsam das Gleichgewicht bewahrend. Menion spürte, wie sein Kopf klarer wurde, und seine Kraft kehrte langsam zurück, als sie weitergingen, das Mädchen neben ihm an seinen Arm geklammert, halb gestützt, halb stützend. Seine scharfen Augen suchten die Düsternis ringsum nach den Trollen ab, die gewiß in der Nähe sein mußten. Plötzlich vernahm er ein Geräusch, das rauschende Toben und Stampfen des Mermidon, der das tiefliegende Ufer überflutete und Kern entgegenwogte. Das Mädchen hörte es auch und umklammerte aufmunternd seinen Arm fester.
Augenblicke später standen sie auf der Böschung über dem Nordufer. Der Strom schwoll immer mehr an. Menion hatte keine Ahnung, wo Kern genau lag, aber er wußte, daß sie die Insel ganz verfehlen würden, wenn sie an der falschen Stelle übersetzten. Das Mädchen schien das Problem zu begreifen; sie packte seinen Arm und ging mit ihm flußabwärts. Menion ließ sich widerstandslos führen und suchte wie sie die Umgebung ab. Der Regen hatte nachgelassen, der Nebel begann sich zu lichten. Es würde nicht lange dauern, bis das Gewitter aufhörte und man wieder würde sehen können. Sie mußten möglichst schnell über den Strom.
Menion wußte nicht, wie lange ihn die junge Frau am Fluß entlang
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