Shannara I
hell beleuchtete Innere des Zeltes und sprach mit jemandem, dann tauchte er wieder auf und winkte die beiden Essenträger hinein. Der kleine Gnom nickte Flick über die Schulter zu, bevor er an den beiden Wachen vorbei ins Zelt trat, und Flick folgte ihm bangen Herzens, kaum fähig zu atmen. Flick schickte ein Stoßgebet zum Himmel und flehte um ein weiteres Wunder.
Das Innere des großen Zeltes war von großen Fackeln auf eisernen Pfosten um einen schweren Holztisch in der Mitte gut beleuchtet. Trolls verschiedener Größe eilten im Zelt hin und her, manche mit zusammengerollten Landkarten unter den Armen. Andere setzten sich zur langerwarteten Mahlzeit nieder. Alle trugen die militärischen Abzeichen der Maturen - Troll-Kommandeure.
Der rückwärtige Teil des Zeltes war abgeteilt von einem schweren Gobelin, den nicht einmal das helle Fackellicht zu durchdringen vermochte. Die Luft im Zelt war rauchig und verbraucht, so daß Flick das Atmen schwerfiel. Überall lagen Waffen und Rüstungsteile, an Pfosten hingen Schilde. Flick spürte die Gegenwart des Schädelträgers ganz deutlich; es konnte keinen Zweifel daran geben, daß dieser sich hinter dem als Trennwand dienenden Gobelin befand. Ein Wesen wie dieses aß nichts - sein sterbliches Ich war längst zu Staub zerfallen, und der Geist in ihm benötigte nur das Feuer des Dämonen-Lords, um seinen Hunger zu stillen.
Plötzlich entdeckte der Talbewohner etwas anderes. In der Nähe des Gobelins, halb verborgen durch die von den Fackeln erzeugten Rauchwolken und die hin- und hereilenden Trolle, saß auf einem hohen Stuhl eine undeutlich wahrnehmbare Gestalt. Flick zuckte unwillkürlich zusammen, für einen Augenblick davon überzeugt, Shea vor sich zu haben. Die hungrigen Trolle kamen auf Flick zu, griffen nach den vollen Tellern und trugen sie zum Tisch, so daß sie für kurze Zeit Flicks Sicht einschränkten. Die Trolle unterhielten sich halblaut miteinander, während sie Flick und dem Gnom das Essen abnahmen, aber ihre Sprache war dem kleinen Talbewohner völlig unverständlich. Er gab sich Mühe, noch mehr in seinen Mantel hineinzukriechen und nur ganz tief unter der Kapuze hervorzulugen. Eigentlich hätte er auffallen müssen, aber die Troll-Befehlshaber waren müde und hungrig und viel zu sehr mit ihren Invasionsplänen beschäftigt, um auf den ungewöhnlich großen Gnomen zu achten, der ihnen das Essen gebracht hatte.
Die letzten Tabletts wurden Flick und dem kleinen Gnomen abgenommen und auf den Tisch gestellt, während die Maturen sich dort versammelten. Der kleine Gnom, der Flick mit ins Zelt gebracht hatte, wandte sich zum Ausgang, aber Flick zögerte noch einen Augenblick, um die Gestalt an der Rückseite des Zeltes genauer zu betrachten.
Es war nicht Shea. Der Mann war ein Elf, etwa Mitte Dreißig, mit kräftigen, intelligenten Zügen. Auf diese Entfernung war mehr nicht auszumachen, aber Flick glaubte, Eventine vor sich zu haben, den jungen Elfenkönig, der nach Allanons Überzeugung entscheidend für Sieg oder Niederlage des Südlandes sein mochte. Im Westland, dem großen, fernen Reich der Elfen, gab es die mächtigste Armee der freien Welt. Wenn das Schwert von Shannara unwiederbringlich verloren war, besaß allein dieser Mann die Macht, den Dämonen-Lord aufzuhalten - dieser Mann, ein Gefangener, dessen Leben jeden Augenblick ausgelöscht werden konnte.
Flick spürte eine Hand auf seiner Schulter und zuckte heftig zusammen.
»Los, los, wir müssen gehen«, flüsterte ihm der kleine Gnom zu. »Du kannst ihn ein andermal anstarren. Er wird hier sein.«
Flick zögerte erneut, als ein tollkühner Plan in ihm reifte. Hätte er sich Zeit genommen darüber nachzudenken, wäre er gewiß davor zurückgeschreckt, aber diese Zeit hatte er nicht, und über vernünftige Überlegungen war er längst hinaus. Es war bereits zu spät, aus dem Lager zu entfliehen und zu Allanon zurückzukehren, bevor es hell wurde, und er hatte sich hierher gewagt, um eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Er gedachte noch nicht zu gehen.
»Los, sage ich, wir müssen… He, was soll das?« Der kleine Gnom schrie unwillkürlich auf, da Flick ihn grob am Arm gepackt hatte und auf die Troll-Kommandeure zustieß, die im Essen innehielten, als der Aufschrei durch das Zelt gellte. Sie starrten die beiden kleinen Gestalten verwundert an. Flick hob eine Hand und deutete fragend auf den gefesselten Gefangenen. Die Trolle folgten mechanisch seinem Blick. Flick wartete atemlos, bis einer der
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