Shannara I
Trolle einen kurzen Befehl bellte, während die anderen nickten und die Achseln zuckten.
»Du bist verrückt, du hast den Verstand verloren!« keuchte der kleine Gnom entsetzt. »Was kümmert es dich, ob der Elf zu essen bekommt oder nicht? Was geht es dich an, ob er verhungert?«
Ein Troll rief sie zu sich, eine verkrümmte Hand reichte ihnen einen vollen Teller. Flick zögerte kurz und warf einen Blick auf seinen fassungslosen Begleiter, der den Kopf schüttelte und vor sich hinmurrte.
»Schau nicht mich an!« knurrte er. »Das war deine Idee! Du kannst ihn füttern!«
Flick verstand nicht alles, was der Gnom sagte, begriff aber den Sinn und beeilte sich, den Teller an sich zu nehmen. Zu keinem Zeitpunkt blickte er länger als für einen Moment in andere Gesichter, und selbst dann verbarg die tief herabgezogene Kapuze seine Züge. Er hielt den Mantel eng um sich gewickelt, als er auf den Gefangenen zuging, frohlockte aber innerlich über das Gelingen seines Plans. Wenn er nah genug an Eventine herankam, konnte er ihm klarmachen, daß Allanon in der Nähe war und man einen Befreiungsversuch unternehmen werde. Sorgenvoll warf er einen Blick über die Schulter. Die Trolle hatten sich wieder über ihre Teller gebeugt, und nur der kleine Koch sah ihm nach. Wenn Flick diesen Streich an irgendeinem anderen Ort als inmitten des feindlichen Lagers versucht hätte, wäre er wohl auf der Stelle entdeckt worden. Aber hier, im Hauptquartier der Befehlshaber, wo der schwarze Schädelträger nur Meter entfernt war, das Zelt umgeben von Tausenden von Soldaten, kam niemand auf den Gedanken, jemand könnte sich ins Lager oder gar in dieses bewachte Zelt eingeschlichen haben.
Flick ging ruhig auf den Gefangenen zu, das Gesicht unter der Kapuze verborgen, den Teller ausgestreckt. Eventine war von normaler Größe und Statur eines Mannes, wenn auch groß für einen Elf. Er trug Waldbewohnerkleidung, darüber die Reste eines Kettenpanzers, auf dem noch das Abzeichen des Hauses Elessedil undeutlich erkennbar war. Sein kräftig geschnittenes Gesicht zeigte Spuren von Schlägen und Wunden, Zeichen der Schlacht, die mit seiner Gefangennahme geendet hatte. Auf den ersten Blick schien nichts Besonderes an ihm zu sein; er stach nicht auf Anhieb hervor. Seine Miene blieb ausdruckslos, als Flick vor ihm stehenblieb. Offenbar gingen seine Gedanken in eine andere Richtung. Dann bewegte er ein wenig den Kopf, und die dunkelgrünen Augen richteten sich auf die kleine Gestalt.
Als Flick die Augen sah, erstarrte er. Sie spiegelten eine wilde Entschlossenheit, eine unbeugsame Charakterstärke und innere Überzeugung wider, die Flick auf irgendeine Weise an Allanon erinnerten. Sie griffen in ihn hinein, packten, bildlich gesprochen, seinen Geist und verlangten seine Aufmerksamkeit, seinen Gehorsam. Er hatte diesen Blick noch bei keinem gesehen, nicht einmal bei Balinor, den sie alle als natürliche Führerpersönlichkeit anerkannten. Wie die des schwarzen Druiden erschreckten ihn die Augen des Elfenkönigs. Flick senkte den Blick auf den Teller und überlegte. Mechanisch spießte er einen Fleischbissen mit der Gabel auf. Dieser Winkel des Zeltes war nur schwach beleuchtet, und der Rauch trug dazu bei, seine Bewegungen vor dem Feind zu verbergen. Nur der kleine Gnom beobachtete ihn, aber ein einziger Fehler würde genügen, um alle auf ihn zustürzen zu lassen.
Er hob langsam den Kopf, bis der Fackelschein sein Gesicht für den aufmerksamen Gefangenen erhellte. Als ihre Blicke einander begegneten, huschte ein Zucken der Überraschung über das sonst ausdruckslose Elfengesicht, und eine Braue hob sich. Flick schob schnell die Lippen vor, um Schweigen zu gebieten, und blickte wieder auf den Teller. Eventine konnte sich nicht selbst bedienen, so daß Flick begann, ihn zu füttern. Der Elfenkönig wußte nun, daß er kein Gnom war, aber Flick fürchtete, belauscht zu werden, wenn er mit dem König sprach, selbst im Flüsterton. Er dachte plötzlich daran, daß hinter dem dicken Gobelin der Schädelträger lauerte, und wenn er ein scharfes Hörvermögen besaß… Aber es gab für Flick keine Wahl; er mußte, bevor er ging, mit dem Gefangenen sprechen. Eine zweite Gelegenheit mochte sich nicht ergeben. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, als er die Gabel an Eventines Mund führte.
»Allanon.«
Das Wort war nur gewispert, kaum vernehmbar. Eventine öffnete den Mund und nickte schwach, das Gesicht versteinert. Flick hatte genug. Es war Zeit, von hier zu
Weitere Kostenlose Bücher