Shannara I
verrann, während sie sich unterhielten, den Sturm unbeachtet ließen und zum ersten Mal ein Zusammengehörigkeitsgefühl empfanden. Während die Stunden vergingen und die Dunkelheit kam, begann Shea den anderen zu verstehen, ihn kennenzulernen, wie er es nie für möglich gehalten hätte. Vielleicht konnte sich auch der Scharlachrote besser in den kleinen Talbewohner einfühlen. Shea hoffte es.
Als die Nacht herabsank und auch der Regen aufhörte, so daß nichts blieb als das Tosen des Windes und das Gluckern und Rauschen des Wassers, drehte sich das Gespräch um den schlafenden Keltset. Leise stellten die beiden Männer Mutmaßungen über die Herkunft des riesigen Berg-Trolls an, versuchten zu entdecken, was ihn hergeführt hatte, wie er dazu gekommen war, die selbstmörderische Wanderung ins Nordland zu wagen. Er war im Charnal-Gebirge zu Hause, das wußte Panamon, und vielleicht wollte er in seine Heimat zurückkehren, aber er war von dort nicht vertrieben worden - jedenfalls nicht von seinen eigenen Leuten. Vielleicht von einer anderen Macht? Der Schädelträger hatte ihn auf Anhieb erkannt - wieso? Selbst Panamon gab zu, daß Keltset mehr war als ein bloßer Dieb und Abenteurer. Etwas Unbegreifliches mußte mit ihm geschehen sein, ein schreckliches Geheimnis, das er mit keinem teilen wollte. In den Augen des Schädelträgers war Angst zu lesen gewesen. Die beiden Männer wickelten sich schließlich fester in ihre Decken und schliefen ein.
Kapitel 26
»Du da! He! Bleib stehen!«
Der scharfe Befehl tönte aus der Dunkelheit hinter Flick und drang wie ein Messer ins Zentrum seines schon erlahmenden Mutes. Der Talbewohner drehte sich voller Entsetzen um, so verstört, daß er nicht einmal mehr in der Lage war, die Flucht zu versuchen. Nun hatte man ihn endlich doch entdeckt. Es war nutzlos, das Jagdmesser zu ziehen, aber seine Finger blieben doch um den Griff geklammert, während er die herannahende Gestalt anstarrte. Er beherrschte die Gnomensprache kaum, aber der Befehl war unmißverständlich gewesen. Starr sah er zu, wie die stämmige, fluchende Gestalt sich aus der Dunkelheit zwischen den Zelten löste.
»Steh nicht einfach herum!« fauchte die Stimme. »Hilf mit!«
Entgeistert schaute Flick sich die gedrungene Gestalt genauer an, die auf ihn zuschlurfte, die Arme beladen mit Tellern und Tabletts, nahe daran, beim nächsten Schritt alles fallenzulassen. Flick sprang hinzu und nahm dem anderen einen Teil der Last ab. Der Geruch frisch gekochten Fleisches und verschiedener Gemüse stieg ihm in die Nase.
»So, das ist schon viel besser.« Der breitgebaute Gnom atmete erleichtert auf. »Noch ein Schritt, und ich hätte alles hingeworfen. Eine ganze Armee im Lager, und keiner hilft mir, das Essen für die Häuptlinge zu tragen. Keiner! Ich muß alles alleine machen. Man möchte toll werden - aber dir bin ich dankbar. Ich sorge dafür, daß du eine gute Mahlzeit bekommst.«
Flick verstand nur jedes zweite Wort des Geschwätzigen, und es war auch gar nicht wichtig. Worauf es ankam, war, daß man ihn nicht erkannt hatte. Flick atmete auf und balancierte die Teller, während sein neuer Begleiter munter weiterschwätzte. Flick nickte in Abständen, um zu zeigen, daß er der Meinung des anderen sei, auch wenn er fast nichts verstand. Seine Blicke huschten dabei unablässig über die Schatten zwischen den Zelten.
Er mußte in dieses eine Zelt gelangen, dieser Gedanke ließ ihn nicht los; er mußte wissen, was dort vorging. Der Gnom neben ihm setzte sich plötzlich, wie auf ein Stichwort hin, in Bewegung und ging mit vorsichtigen Schritten auf das Zelt zu, das kleine, gelbe Gesicht halb zur Seite gedreht, um weiter auf Flick einreden zu können. Es gab keinen Zweifel mehr; sie lieferten das Essen in dieses Zelt, das den Häuptlingen der beiden Nationen, aus denen die Riesenarmee sich rekrutierte, gehörte und dem furchtbaren Schädelträger.
Das ist Wahnsinn, dachte Flick plötzlich; man wird mich sofort entdecken. Aber er mußte einen Blick ins Innere werfen!
Dann standen sie am Eingang, vor den beiden riesigen Troll-Wachen, die sie überragten wie Bäume zwei Grashalme. Flick brachte es nicht über sich, seinen Blick zu erheben, da er wußte, daß er, hätte er das getan, nur auf eine gepanzerte Brust gestarrt hätte.
Flicks selbsternannter Freund pfiff trotz seiner Winzigkeit die Wachen an, gefälligst Platz zu machen und sie hineinzulassen, bevor das Essen kalt zu werden drohe. Einer der Posten trat in das
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