Shannara I
von einem neuen Angriff überrascht. Er sah eine herabsausende Schwertklinge schimmern, riß das Messer hoch, um den Hieb abzuwehren. Für Minuten brach das Chaos aus, als der Talbewohner sich durch das Gewühl kämpfte. Während er versuchte, sich aus dem Getümmel zu lösen, stürzte er wiederholt zu Boden, sprang aber immer wieder auf und kämpfte weiter, nach Eventine schreiend.
Was er nicht wußte, war, daß er in eine Gruppe unbewaffneter Nordländer geraten war, die völlig überrumpelt wurden, als er sich wie ein wildes Tier mit dem Messer in ihre Mitte stürzte. Minutenlang versuchten sie, ihn festzuhalten und zu entwaffnen, aber Flick wehrte sich mit solcher Verzweiflung, daß sie ihn nicht zu überwältigen vermochten. Eventine kam ihm zu Hilfe, kämpfte sich im Gewühl zu dem jungen Mann durch und jagte die Gegner endlich in die Flucht. Sie verschwanden in der Dunkelheit, und den letzten Feind, einen großen Gnom, der sich an Flick festgeklammert hatte, hieb Eventine nieder. Er packte Flick am Kragen und zog ihn hoch. Flick wehrte sich noch für einen Augenblick, erschlaffte aber, als er sah, wer ihn festhielt. Ringsum tönten die Hörner durch das Lager, vermischt mit den Schreien der aufschreckenden Soldaten. Flick konnte nicht hören, was Eventine sagte. Sein ganzer Schädel dröhnte von den Hieben, die er abbekommen hatte.
»… schnellsten Weg hinaus finden. Nicht laufen - schnell gehen, ganz ruhig. Wenn wir laufen, fallen wir nur auf. Los jetzt!«
Eventines Stimme verstummte. Seine starke Hand packte Flicks Schulter und drehte ihn herum. Sie starrten einander an, aber Flick konnte den durchdringenden Blick des Elfenkönigs nur wenige Sekunden aushaken. Er schien ihm bis in sein verkrampftes Herz zu dringen. Dann gingen sie Seite an Seite auf das Ende des Lagers zu, die Waffen in Bereitschaft. Flick dachte fieberhaft, aber mit klaren Sinnen nach, entsann sich bestimmter Merkmale im Lager, die ihm anzeigten, daß sie auf dem richtigen Weg waren. Die Angst wurde zeitweilig verdrängt von einer kalten Entschlossenheit, die er nicht zuletzt der auf ihn ausstrahlenden starken Persönlichkeit an seiner Seite zu verdanken hatte. Es mochte Allanon selbst sein, so unerschütterlich war die Selbstsicherheit, die der Elfenkönig verströmte.
Dutzende von Soldaten stürmten vorbei, manche in unmittelbarer Nähe, aber niemand hielt sie auf oder stellte sie zur Rede. Unbeachtet schritten die beiden Männer durch das Chaos, das die Armee bei dem unerwarteten Alarm erfaßt hatte. Die Schreie gellten weiterhin wild durcheinander, schienen aber schon hinter den Fliehenden zurückzubleiben. Der Regen hatte vorübergehend ganz aufgehört, aber der dichte Nebel lagerte immer noch über dem Boden und hüllte das ganze Grasland von Streleheim bis zum Mermidon ein. Flick warf einen Seitenblick auf seinen stummen Begleiter und sah mit Besorgnis, daß dieser vor Schmerzen gekrümmt ging. Der linke Arm hing schlaff herab, die Schulterwunde blutete noch immer stark. Der tapfere Elf ermüdete rasch und wurde durch den Blutverlust immer schwächer. Sein Gesicht war aschfahl und wirkte eingefallen. Unbewußt ging Flick langsam und trat näher an seinen Begleiter heran, um ihn zu stützen, sollte er schwanken.
Sie erreichten das Ende des Lagers schnell - so schnell, daß die Nachricht von den Geschehnissen am Maturen-Zelt noch nicht bis hierher gedrungen war. Die Posten wußten nicht, was vorgefallen sein mochte, aber sie waren durch die Hornrufe aufgescheucht worden und standen in kleinen Gruppen vor den Zelten, die Waffen in Bereitschaft. Offenbar glaubten sie, die Gefahr drohe von außerhalb des Lagers, denn ihre Blicke richteten sich hinaus in die Dunkelheit, so daß Eventine und Flick unbemerkt bis zu ihnen gelangen konnten. Der Elfenkönig zögerte nicht, sondern schritt mit gemessenen Bewegungen zwischen den Posten hindurch, auf Dunkelheit, Nebel und Verwirrung vertrauend, die ihre Entdeckung verhindern sollten.
Die Zeit lief ab. Binnen Minuten würde die ganze Armee auf den Beinen und kampfbereit sein, und sobald man entdeckt hatte, daß er entkommen war, würde man ihm Fährtensucher nachschicken. Er konnte Sicherheit finden, wenn es ihm gelang, die Grenzen von Kern zu erreichen, genau südlich, oder wenn er sich zu den Drachenzähnen und den Wäldern im Osten durchzuschlagen vermochte. Beides würde Stunden erfordern, und seine Kraft ließ nach. Er durfte jetzt nicht zögern, selbst wenn es nahezu sichere Entdeckung
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