Shannara I
bedeutete, ungeschützt hinauszutreten.
Kühn gingen die beiden zwischen zwei Postentrupps hindurch und sahen weder nach links noch nach rechts, als sie das freie offene Grasland erreichten. Es gelang ihnen, nicht aufzufallen, bis sie die Postenkette fast schon hinter sich hatten. Plötzlich wurden sie von mehreren Wachen gleichzeitig entdeckt, die sie anriefen. Eventine drehte sich kurz zur Seite und winkte mit dem gesunden Arm. Er erwiderte den Anruf in der Trollsprache, ohne den Schritt auch nur zu verlangsamen. Flick folgte ihm, während die Wachen ihnen unsicher nachblickten. Dann stieß einer von den Posten einen Schrei aus und lief ihnen nach. Mit erregten Bewegungen und Rufen forderte er sie auf, umzukehren. Eventine schrie Flick zu, die Beine in die Hand zu nehmen, und die Jagd begann. Die beiden Männer versuchten zu entkommen, als an die zwanzig Wachen die Verfolgung aufnahmen, ihre Piken schwangen und wild durcheinanderbrüllten.
Es war von Anfang an ein ungleiches Rennen. Eventine und Flick waren leichtfüßiger und schlanker, und unter gewöhnlichen Umständen wären sie ihren Verfolgern rasch enteilt. Der Elfen-König war jedoch schwer verwundet, und Flick konnte sich vor Erschöpfung kaum mehr richtig auf den Beinen halten. Die Verfolger waren frisch und kräftig, ausgeruht und gut ernährt. Flick wußte, daß ihre einzige Hoffnung darin liegen konnte, sich im Nebel und der Dunkelheit zu verlieren, in der Erwartung, ihre Feinde würden sie dann nicht mehr finden. Keuchend, mit mühsamen Schritten, trieben sie ihre Körper bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit. Alles verschwamm vor ihren Augen, als sie auf dem glatten Gras in den wabernden Nebel hineinwankten. Sie liefen, bis sie glaubten, nicht mehr laufen zu können, und noch immer war nichts von Bergen, von Wald, von einem Versteck zu sehen.
Plötzlich tauchte aus der Dunkelheit vor ihnen eine Eisenpike auf, die Eventines Umgang durchbohrte und ihn am Boden festnagelte. Die äußere Postenkette, dachte Flick entsetzt - daran hatte er nicht mehr gedacht! Eine undeutliche Gestalt tauchte aus dem Nebel auf und stürzte sich auf den am Boden liegenden Elfenkönig. Mit letzter Kraft warf sich Eventine zur Seite, um dem Schwerthieb zu entgehen. Die Klinge bohrte sich neben seinem Kopf in die Erde. Er riß seine eigene Waffe herum und in die Höhe. Die anstürmende Gestalt brach zusammen, durchbohrt von der Schwertklinge.
Flick stand wie angewurzelt und schaute sich wild nach anderen Angreifern um. Sie blieben aus. Der Posten war allein gewesen. Flick lief auf seinen Begleiter zu, riß die Pike heraus und zog den erschöpften Elfenkönig mit seiner letzten Kraft in die Höhe. Eventine machte ein paar Schritte und sank wieder zu Boden. Flick ließ sich erschrocken auf die Knie nieder und versuchte ihn auf die Beine zu bringen.
»Nein - nein, es ist aus«, stieß Eventine heiser hervor. »Ich kann nicht weiter…«
Hinter ihnen tönten die Schreie der Nordländer aus der Dunkelheit. Die Verfolger rückten näher. Wieder versuchte Flick vergeblich, die schlaffe Gestalt hochzuziehen. Diesmal reagierte Eventine gar nicht mehr. Hilflos starrte Flick in die Finsternis, das Jagdmesser umklammernd. Das war das Ende. In letzter Verzweiflung schrie er gellend in die Dunkelheit und den Nebel hinein.
»Allanon! Allanon!«
Der Ruf verhallte in der Nacht. Der Regen prasselte nun wieder auf eine schon durchtränkte Erde, und im Gras bildeten sich immer größere Lachen und kleine Seen. Bis zu Morgendämmerung war es nur noch eine Stunde. Man konnte das bei solchem Wetter schwer schätzen. Flick kauerte stumm neben dem bewußtlosen Elfenkönig und hörte, wie die Soldaten der Nordland-Armee näher und näher kamen. An ihren Stimmen war zu erkennen, daß sie gar nicht mehr weit entfernt waren, auch wenn sie ihn noch nicht gesehen hatten. Und der größte Hohn für Flick schien zu sein, daß er noch immer nicht wußte, was mit Shea geschehen war, obwohl er Eventine befreit hatte. Schreie auf seiner linken Seite ließen ihn herumfahren. Verschwommene Gestalten tauchten aus dem Nebel auf. Man hatte ihn gefunden. Grimmig stand er auf, um sie zu erwarten und zu sterben.
Einen Augenblick später explodierte die dunstige Dunkelheit zwischen ihnen in einem blendenden Feuerblitz, der aus der Erde zu brechen schien. Der ungeheure Druck schleuderte Flick zu Boden, wo er betäubt und geblendet liegenblieb. Ein Regen von Funken und brennendem Gras fiel auf ihn herab, und
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