Shannara I
der sie jede offene Wunde in zwölf Stunden heilen. Ich habe das bei Dayel selbst gesehen.«
Shea schüttelte ungläubig den Kopf und wollte Fragen stellen, als die Tür wieder aufging und Allanon hereinkam. Zum erstenmal, seit Shea sich erinnern konnte, wirkte der schwarze Wanderer beinahe glücklich und zeigte ein echtes Lächeln der Erleichterung. Er trat auf sie zu und nickte befriedigt.
»Ich freue mich wirklich, daß ihr euch von euren Verwundungen erholt habt. Ich habe mir große Sorgen gemacht, aber die Stors haben sich selbst übertroffen. Fühlt ihr euch stark genug, das Bett zu verlassen und ein bißchen herumzugehen? Wollt ihr etwas essen?«
Shea sah fragend zu Flick hinüber, der ihm zunickte.
»Gut, dann geht mit Menion und prüft eure Kraft«, sagte Allanon. »Es ist wichtig, daß ihr euch bald stark genug fühlt, den Marsch fortzusetzen.«
Ohne ein weiteres Wort ging er wieder hinaus und schloß die Tür hinter sich. Sie sahen ihm nach und wunderten sich darüber, daß er noch immer so förmlich und kalt zu ihnen sein konnte. Menion zuckte die Achseln und versprach, ihre Kleidung zu holen, die inzwischen gereinigt worden war. Er ging und kam bald mit den Sachen zurück. Die Brüder stiegen mühsam aus den Betten und zogen sich an, während Menion mehr über die Stors berichtete. Er gab zu, ihnen zu Anfang mißtraut zu haben, weil sie Gnome waren. Seine Befürchtungen hätten sich aber rasch verflüchtigt, als er gesehen habe, wie sie sich um Shea und Flick bemüht hätten. Die anderen Kameraden hätten lange geschlafen und erholten sich jetzt irgendwo im Ort.
Die drei verließen bald danach das Zimmer und betraten ein anderes Gebäude, das dem Dorf als Speisehaus diente. Sie bekamen reichlich warmes Essen, um ihren Hunger zu stillen. Trotz ihrer Verletzungen sahen sich die Brüder imstande, mehrere Portionen zu verschlingen. Danach führte Menion sie hinaus, wo sie auf die wieder ganz erholten Durin und Dayel stießen. Die Elfen-Brüder freuten sich, Shea und Flick auf den Beinen zu sehen. Auf Menions Vorschlag hin gingen sie zu fünft zum südlichen Ende des Dorfes, um sich den staunenswerten Blauen Teich anzusehen, von dem die Stors dem Hochländer erzählt hatten. Nach wenigen Minuten erreichten sie den kleinen Teich und setzten sich am Ufer unter eine große Trauerweide, um stumm auf das blaue Wasser hinauszublicken. Menion berichtete, daß die Stors viele ihrer Salben und Tinkturen mit dem Wasser dieses Teichs als Grundelement herstellten, weil es über eine besondere Heilkraft verfüge. Shea trank einen Schluck von dem Wasser; es schmeckte anders als alles, was er je getrunken hatte, aber sehr angenehm. Die anderen folgten seinem Beispiel und bestätigten seine Aussage. Der Blaue Teich war ein so friedlicher Ort, daß sie sich dort für kurze Zeit entspannten und ihre gefährliche Reise vergaßen; sie dachten an ihre Heimat und an die Leute, die sie zurückgelassen hatten.
»Der Teich erinnert mich an Beleal, meine Heimat im Westland«, sagte Durin und lächelte vor sich hin, während er einen Finger durchs Wasser zog. »Dort findet man denselben Frieden wie hier.«
»Wir werden wieder zu Hause sein, bevor du dich umsiehst«, meinte Dayel und fügte eifrig, beinahe jungenhaft, hinzu: »Und ich werde Lynliss heiraten und mit ihr viele Kinder haben.«
»Vergeßt das lieber«, sagte Menion knapp. »Bleibt ledig und glücklich.«
»Ihr habt sie nicht gesehen, Menion«, sagte Dayel lebhaft. »Sie ist ein sanftes, gutes Mädchen, so schön, wie dieser Teich klar ist.«
Menion schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf und boxte dem schmächtigen Elf in die Seite, ohne freilich ein verständnisvolles Lächeln unterdrücken zu können. Sie schwiegen lange Minuten und starrten auf das blaue Wasser. Dann sah Shea die anderen fragend an.
»Glaubt ihr, wir tun das Richtige? Ich meine die ganze Reise und alles. Lohnt sich das wirklich?«
»Merkwürdig, wenn ausgerechnet du das sagst, Shea«, erklärte Durin nachdenklich. »So, wie ich es sehe, hast du das meiste zu verlieren, wenn du mitkommst. Du bist eigentlich der, um den sich alles dreht. Glaubst du denn, daß es lohnend ist?«
Shea überlegte, während die anderen ihn ansahen und warteten.
»Das darf man ihn eigentlich nicht fragen«, meinte Flick.
»Doch«, sagte Shea nüchtern. »Sie setzen alle ihr Leben für mich aufs Spiel, und ich bin der einzige, der Zweifel an dem laut werden läßt, was wir tun. Aber ich kann nicht einmal
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