Shannara I
Wut, der er nicht Ausdruck geben konnte, und er spürte nur eine grenzenlose Leere.
Menion Leah schien einen markanten Gegensatz zu bilden, als er einige Meter von Flick entfernt in wilder Verzweiflung hin- und herstürmte, vorgebeugt, beinahe geduckt wie ein verwundetes Tier. In seinem Gehirn loderten Wut und Empörung, nutzloser Zorn, wie ein Tier im Käfig ihn empfindet, wenn auf Flucht keine Aussicht besteht und nur noch der innere Stolz und der Haß auf das Geschehene bleiben. Er wußte, daß er nichts hätte tun können, um Shea zu helfen, aber das half wenig, das Schuldgefühl zu betäuben, das er angesichts der Tatsache empfand, nicht zur Stelle gewesen zu sein, als der Sims abgebrochen und Shea in das tobende Wasser der Stromschnellen gestürzt war. Vielleicht wäre es möglich gewesen, das Schreckliche zu verhindern, hätte er Shea nicht mit Allanon allein gelassen. Aber er wußte auch, daß Allanon keine Schuld trug; Allanon hatte alles getan, um Shea zu schützen. Menion eilte mit langen, zornigen Schritten hin und her und grub die Stiefelabsätze hart in den Boden. Er weigerte sich, einzuräumen, daß ihre Suche zu Ende war, daß sie gezwungen sein würden, sich als geschlagen zu bekennen, wenn das Schwert von Shannara schon in Reichweite lag. Er blieb stehen und überdachte für Augenblicke des Ziel ihrer Suche. Für den Hochländer ergab das Ganze noch immer keinen Sinn. Selbst wenn sie das Schwert erlangten, was konnte ein Mann, kaum mehr als ein Jüngling, gegen die Macht eines Wesens von der Art des Dämonen-Lords auszurichten hoffen? Nun würden sie es nie erfahren, weil Shea allem Anschein nach tot war; selbst wenn nicht tot, für sie nicht mehr erreichbar. Nichts schien mehr sinnvoll zu sein, und Menion Leah begriff schlagartig, wieviel ihm die beiläufige, mühelose Freundschaft zwischen ihnen bedeutet hatte. Sie hatten nie darüber gesprochen, sie nie offen bestätigt, aber sie war trotz allem da gewesen und für ihn überaus wichtig. Jetzt war es vorbei damit. Menion biß sich in hilflosem Zorn auf die Unterlippe und setzte sein ruheloses Hin- und Herwandern fort.
Die anderen hatten sich am Fuß der Drachenfalte versammelt, die wenige Meter hinter ihnen endete. Durin und Dayel sprachen halblaut miteinander, die zarten Elfenzüge umdüstert von Sorge, die Blicke gesenkt. In der Nähe, an einen großen Felsblock gelehnt, ruhte sich Höndel aus, der, von Natur aus schon schweigsam, nun unzugänglich war. Schulter und Bein waren verbunden, sein Gesicht von dem Kampf mit dem Drachen zerschrundet. Er dachte kurz an seine Heimat, an die wartende Familie, und wünschte sich für einen Augenblick, das Grün von Culhaven noch einmal sehen zu können, bevor es zu Ende ging. Er wußte, daß sein Land ohne das Schwert von Shannara und ohne Shea, es zu führen, von den Armeen aus den Nordländern überrannt werden würde. Höndel war nicht allein mit solchen Gedanken. Balinor dachte Ähnliches, den Blick auf den einsamen Riesen gerichtet, der in einem kleinen Hain abseits von den anderen stand und sich nicht bewegte. Er wußte, daß sie nun vor einer Entscheidung standen, die eigentlich keine war. Sie mussten ihre Unternehmen entweder aufgeben, umkehren und versuchen, ihre Heimatländer zu erreichen und vielleicht Shea zu finden, oder nach Paranor weitergehen und das Schwert von Shannara ohne den mutigen jungen Mann an sich bringen. Eine schwierige Wahl, die keinen befriedigen konnte, wie sie auch ausfallen mochte. Er schüttelte traurig den Kopf, als er an den bitteren Streit zwischen sich und seinem Bruder dachte. Er mußte seine eigene Entscheidung fällen, wenn er nach Tyrsis zurückkehrte - und sie würde nicht erfreulich sein. Er hatte mit den anderen nicht darüber gesprochen, und im Augenblick waren seine persönlichen Probleme von nachgeordneter Bedeutung.
Plötzlich fuhr der Druide herum und kam zu ihnen zurück, offenbar zu einem Entschluß gelangt. Das schwarze Gewand umwallte ihn, das scharfe, dunkle Gesicht wirkte selbst in diesem Augenblick der bitteren Niederlage entschlossen. Menion war im Gehen erstarrt, und sein Herz schlug heftig, als er auf die Konfrontation wartete, die bevorstand, denn der Hochländer hatte seine eigene Entscheidung getroffen und argwöhnte, daß sie anders ausgefallen sein mochte als die Allanons. Flick entdeckte den Auf lug von Furcht im Gesicht des Prinzen von Leah, sah dort aber auch einen unerschütterlichen Mut. Alle standen zögernd auf und traten zusammen,
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