Shannara II
gefährlich. Ihr werdet doch wohl einen Weg finden können, der es mir ermöglicht, meine Mutter zu sehen, und sei es nur fünf Minuten.« Sie senkte die Lider. »Und kommt mir jetzt ja nicht damit, daß ich sie sehen kann, wenn ich wieder zurück bin.«
Eine Weile unerquicklicher Stille folgte auf diese Worte. Allanons dunkles Gesicht verschloß sich plötzlich, als hätte er Angst, er könne etwas preisgeben, was besser verborgen blieb. Wil entging die Veränderung nicht, und sie machte ihn neugierig.
»Wie du wünschst«, meinte der Druide schließlich. Er stand auf. »Jetzt müßt ihr schlafen. Gehen wir also.«
Eventine erhob sich ebenfalls und trat zu seiner Enkelin.
»Es tut mir leid, daß Arion im Hohen Rat so harte Worte gebrauchte«, sagte er. Es schien, als wolle er noch etwas sagen, doch dann schüttelte er den Kopf. »Ich denke, mit der Zeit wird er verstehen wie ich…« Verlegen hielt er inne. Dann legte er seine Arme um Amberle und küßte ihre Wangen. »Wenn ich nicht so alt wäre - «, begann er in tiefer Bewegung.
Amberle legte ihre Finger auf seinen Mund und schüttelte den Kopf.
»Du bist nicht so alt, daß du nicht sehen kannst, daß dein Platz hier ist, wo du am dringendsten gebraucht wirst.« Sie lächelte, und in ihren Augen standen Tränen, als sie ihn küßte.
Etwas verlegen trat Wil vom Tisch weg und ging leise zu dem schlafenden Manx. Der alte Wolfshund hörte ihn kommen und blickte blinzelnd zu ihm auf. Impulsiv beugte sich Wil nieder, um den Hund zu streicheln, doch der stieß ein tiefes, kaum hörbares Knurren der Warnung aus. Wil fuhr zurück. Unfreundlicher Köter, dachte er bei sich.
Er kehrte zu den anderen zurück. Eventine schüttelte ihm die Hand und wünschte ihm Glück. Dann folgte Wil Seite an Seite mit Amberle dem Druiden zur hohen Fenstertür, und die drei traten wieder in die Nacht hinaus.
Kapitel 21
Der Druide führte sie zu einem kleinen Haus am Nordrand der Stadt, das inmitten einer Ansiedlung ähnlich gebauter Häuser an einem bewaldeten Hang stand. Durch nichts unterschied es sich von seinen Nachbarn, und dies, vermutete Wil, war wohl gerade der Grund, weshalb es als Unterkunft für sie ausgesucht worden war. Niemand erwartete sie, als sie eintraten, doch das Häuschen war behaglich eingerichtet und offensichtlich bewohnt. Allanon ließ sich nicht darüber aus, was aus seinen Bewohnern geworden war. Er ging in das Haus hinein, als sei es sein eigenes, entzündete in der Wohnstube mehrere Öllampen und schloß dann vor sämtlichen Fenstern sorgfältig die Vorhänge. Während Wil und Amberle sich an einen kleinen, mit frischen Blumen geschmückten Tisch setzten, machte er eine prüfende Runde durch das Haus, um dann mit Brot, Käse, Früchten und einem Krug Wasser zurückzukehren.
Sie aßen schweigend. Wil langte kräftig zu, trotz der späten Stunde, Amberle jedoch brachte kaum einen Bissen hinunter. Nach diesem Nachtmahl führte Allanon das Elfenmädchen in ein kleines Gästezimmer im hinteren Teil des Hauses. Das Fenster hinter den zugezogenen Vorhängen war vergittert und durch Holzläden gesichert. Der Druide überprüfte gewissenhaft den Riegel, dann nickte er zufrieden.
Ohne ein Wort trat Amberle an das Bett. Sie war so todmüde, daß sie sich nicht einmal auskleidete. Sie schlüpfte nur aus ihren Stiefeln und ließ sich dann auf das weiche Lager fallen. Beinahe augenblicklich war sie eingeschlafen. Allanon breitete eine leichte Decke über ihr aus, dann löschte er das Licht und ging aus dem Zimmer.
Wil Ohmsford, der mittlerweile allein in der Wohnstube saß, starrte durch die verhüllten Fenster in die Dunkelheit hinaus. Die Lichter der Stadt blinzelten ihm zu wie Glühwürmchen im Schatten des Waldes. Als der Druide zurückkam, fuhr Wil rastlos herum.
»Ich muß mit Euch sprechen, Allanon.«
Der große Alte schien nicht verwundert.
»Neue Fragen, Wil Ohmsford?«
»Nicht direkt.« Wil machte ein verlegenes Gesicht.
»Hm. Gut. Aber setzen wir uns doch.«
Wil nickte, und sie ließen sich auf den Stühlen an dem kleinen Tisch nieder, an dem sie gegessen hatten. Wil schien unschlüssig, wie er anfangen sollte. Allanon betrachtete ihn mit ausdrucksloser Miene und wartete.
»Als ich an dem Abend im Tirfing mit den Elfensteinen gegen diesen Dämon kämpfen wollte, da ist etwas in mir vorgegangen, das ich nicht verstehe«, fing Wil schließlich an. »Ich war schon halb und halb entschlossen, Euch das gar nicht zu erzählen, weil ich nicht wollte,
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