Shannara II
während er dem geschwächten Dilph zu Hilfe eilte. In vollem Lauf beinahe riß er den Elf vom Boden in seine Arme, schwang ihn über seine Schulter und war schon auf dem Rückweg zum wartenden Schiff.
Amberle spähte durch Dunst und Regen in die Bäume. Wo war Wil Ohmsford?
»Ablegen«, brüllte Crispin.
Katsin ließ die Taue fahren und stieß Amberle dann hastig aufs Schiff, wo Ped und Cormac schon warteten. Eine Sekunde später war auch Crispin mit Dilph an Bord, und das schwere Fahrzeug begann davonzugleiten.
Da tauchte plötzlich Wil Ohmsford auf, sprang wie ein gehetztes Wild aus dem Dunkel des Waldes und hielt auf den Steg zu. Amberle sah ihn, wollte rufen, erstarrte. Im Schatten der Bäume hinter dem fliehenden Talbewohner bewegte sich ein riesiges Wesen, das ihn verfolgte.
»Gib acht!« rief sie warnend.
Von ihrem Ruf angespornt, gewann Wil den Steg mit einem einzigen großen Sprung, raste, ohne innezuhalten, die Holzbohlen hinunter und schnellte sich ab, um mit einem gewaltigen Satz das davontreibende Schiff noch zu erreichen. Nur mit einem ausgestreckten Fuß berührte er das Deck und wäre ins Wasser gestürzt, hätten nicht die Elfen-Jäger ihn gepackt und hochgezogen.
Das Schiff glitt ins offene Wasser des Singenden Flusses hinaus, und die Fahrt wurde schneller. Erschöpft sank Wil zu Boden, und Amberle streifte rasch ihren Umhang ab und hüllte Wil fest darin ein. Neben ihnen beugte sich Crispin über Dilph. Der Wind und das Rauschen des Flusses zerfetzten seine Worte.
»… tot - alle… zerschmetterte Glieder… wie die Leute von dem Spähtrupp in Arborlon, wie die Erwählten.« Mit weit geöffnetem Mund schnappte er nach Luft. »Kian auch - und Rin. Beide tot… der Dämon hat sie eingeholt… er erwartete uns…«
Das übrige hörte Amberle nicht mehr. Ihr Blick traf sich mit dem Wils. Mit schrecklicher Gewißheit erkannten sie beide die Wahrheit.
Der Dämon hatte sie erwartet.
Allanon hatte ihm einen Namen gegeben. Er hatte ihn den Raffer genannt.
Kapitel 23
Es war Mitternacht, als Crispin das Schiff wieder anlegen ließ. Unmittelbar unterhalb vom Drey-Wald schwenkte der Singende Fluß auf seinem langen, gewundenen Weg zum Innisbore-See nach Westen. Als die Elfen das Schiff in einen schmalen, von dichtem Wald umgebenen Seitenarm steuerten, befanden sie sich am nördlichsten Zipfel des Wirrnismoors, Meilen von dem Punkt entfernt, wo sie ursprünglich beabsichtigt hatten, den Fluß zu verlassen. Die prasselnden Wolkenbrüche waren wieder zu einem feinen Sprühregen verebbt, der wie ein zarter Dunstschleier in der kühlen Luft hing. Dicke Wolkenmassen verdunkelten Mond und Sterne, und die Nacht war so schwarz, daß selbst die Elfen nicht weiter als ein Dutzend Schritte sehen konnten. Der Wind hatte sich völlig gelegt, und feiner Nebel hatte sich über das ganze Land gesenkt.
Die Elfen-Jäger fuhren das Schiff auf einer flachen Sandbank am oberen Ende des stillen Wassers auf Grund, zogen es mit vereinten Kräften ganz aus dem Fluß und machten es fest. So lautlos wie Katzen erkundeten sie dann das Gelände in einem Umkreis von mehreren hundert Schritten und kehrten nach einer Weile zu Crispin zurück, um ihm zu melden, daß sie nichts Bedrohliches entdeckt hatten. Der Hauptmann der Elfen-Jäger war der Meinung, es sei sinnlos, in dieser Finsternis zu versuchen, die Reise fortzusetzen, und befahl Wil und Amberle, bis zum Morgen in ihrer Kabine zu bleiben. In warme Decken gehüllt, zum erstenmal seit zwei Tagen vom Stampfen und Schlingern des Schiffes erlöst, fielen die beiden augenblicklich in tiefen Schlaf. Die Elfen bewachten in Schichten das Schiff und seine schlafenden Passagiere, und Crispin machte es sich neben der Kabinenöffnung so bequem wie möglich.
Bei Tagesanbruch verstaute die kleine Truppe Proviant und Waffen und löste dann die Vertäuung des Schiffes, so daß der Fluß es forttragen konnte. Es trieb rasch davon, und Wil und Amberle brachen mit den Elfen-Jägern zu ihrem Marsch durch das Wirrnismoor auf.
Das Moor war eine sumpfige Niederung, von Gestrüpp und verkrüppeltem Buschwerk überwuchert, von stillen, schlammigen Tümpeln überzogen. Es spaltete die weiten Wälder des Westlands von den Ufern des Singenden Flusses bis zur gewaltigen Felswand des Steinkamm-Gebirges, eine unwegsame Wildnis, in die nur wenige Menschen sich hineinwagten. Jene, die das Wagnis dennoch auf sich nahmen, liefen ständig Gefahr, sich in den nebelumwallten Sümpfen und dem
Weitere Kostenlose Bücher