Shannara II
verbracht werden. Nicht durch Worte kamen sie zu dieser Auffassung, sondern durch stillschweigendes Einverständnis. Sie wollten offen von der Vergangenheit und von der Zukunft sprechen; von der Gegenwart aber wollten sie nichts sagen.
Die Gespräche vermittelten ihnen ein Gefühl von Geborgenheit. Draußen fiel unablässig der Regen, und graue Nebelschwaden wallten über das Land, während der Singende Fluß all seine Lieder vergessen zu haben schien und mit mürrischem Gurgeln sich nach Süden ergoß. Eingesperrt in Finsternis, von Wind und Regen bedrängt, ohne Schlaf und ohne Appetit, hätten sie vielleicht schnell Furcht und Zweifeln nachgegeben. Doch die Gespräche gaben ihnen Trost und Kraft, die gemeinsamen Empfindungen und gegenseitigem Verständnis entsprangen. Jedem vermittelte die Gegenwart des anderen ein Gefühl von Sicherheit, verdrängte zumindest teilweise das beängstigende Gefühl, daß ihre Welt im Untergehen begriffen war, und daß sich mit diesem Untergang ihr Leben auf immer verändern würde. Jedem schenkte die Gegenwart des anderen, das Gespräch mit ihm, Hoffnung. Ganz gleich, was in den kommenden Tagen auf sie einstürzen würde, sie würden ihm gemeinsam ins Gesicht blicken. Keiner würde allein stehen müssen.
Irgendwann im Laufe dieser grauen, bleischwer dahinsickernden Stunden geschah Wil Ohmsford etwas Seltsames. Zum erstenmal seit jener Nacht in Storlock, als er sich bereit erklärt hatte, mit Allanon ins Westland zu ziehen, empfand er eine tiefe herzliche Sorge um Amberle Elessedil.
Am späten Nachmittag des zweiten Reisetags erreichten sie den Drey-Wald. Die schweren Regenfälle waren zu dünnem Nieselregen abgeflaut, und die Luft war mit dem Nahen der Nacht plötzlich bitterkalt geworden. Graues Zwielicht hüllte den Wald ein. Aus Westen wälzte sich eine neue dunkle Wand drohender Wolken heran.
Der Drey-Wald überzog mit dichtem Baumbestand eine Kette niedriger Hügel, die vom linken Ufer des Singenden Flusses nach Osten führten zu einem zackigen Kamm schroffer Felsspitzen. Ulmen, Eichen und rauhborkige Hickory-Bäume breiteten ihre ausladenden Äste über einem wirren Geschlinge von Gestrüpp und toten Büschen aus, und der ganze Wald roch modrig und faul. Nur ein paar Dutzend Schritte landeinwärts vom Fluß war nichts mehr als tiefe, undurchdringliche Schwärze. Das feine Rauschen des Regens, der in dünnen Schnüren in die Bäume fiel, war das einzige Geräusch in der Stille.
Die Elfen-Jäger steuerten das Schiff in eine seichte Bucht, wo eine Schlippe vom Ufer herausragte. Die Wellen der Bucht brachen sich an den Pfählen, auf denen sie errichtet war, und spülten über ihre Holzbohlen hinweg. Am Ufer, dicht am Waldrand, stand eine verwitterte Blockhütte, deren Tür und Fenster mit Läden verschlossen waren. Nachdem die Elfen-Jäger das Schiff an den Pfählen festgemacht hatten, sprangen sie an das Ufer.
Crispin holte Wil und Amberle aus ihrer Kabine, nicht ohne sie vorher ermahnt zu haben, ihre Umhänge überzuwerfen und die Kapuzen aufzusetzen. Froh, endlich ihre Glieder wieder strecken zu können, folgten ihm die beiden auf die Schlippe hinaus. Das Wasser des Singenden Flusses leckte an ihren Füßen, und sie eilten rasch ans Ufer.
Dilph trat zu der Blockhütte, öffnete die Tür, blickte sich flüchtig um und zog sich zurück. Mit einem Kopfschütteln sah er Crispin an. Der Hauptmann runzelte die Stirn.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte Wil.
Crispin sah ihn nicht an.
»Eine Vorsichtsmaßnahme. Der Hauptstützpunkt ist eine halbe Meile landeinwärts auf der Höhe eines Hügels, wo man rundum das Land überblicken kann. Ich hätte angenommen, daß die Jäger, die dort stationiert sind, uns hätten kommen sehen müssen. Aber vielleicht war das bei diesem Wetter nicht möglich.«
»Und was ist das hier für eine Hütte?« wollte Wil wissen.
»Das ist eines von mehreren Wachhäuschen, die zu dem Stützpunkt gehören. Im allgemeinen ist es besetzt.« Er zuckte die Schultern. »Aber bei dem miesen Wetter hat der Befehlshaber des Stützpunktes vielleicht alle seine Leute zurückgezogen. Er wurde ja von unserem Kommen nicht unterrichtet, hatte daher keinen Grund, uns zu erwarten.« Er richtete den Blick wieder auf den Wald. »Entschuldigt mich einen Augenblick, bitte.«
Er winkte den anderen Elfen, zu ihm zu kommen, und sie steckten in flüsternder Beratung die Köpfe zusammen.
Amberle trat näher zu Wil heran.
»Glaubst du ihm?« wisperte sie.
»Ich
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