Shannara II
Heulen des Sturms, ein schrilles, verängstigtes Wimmern. Doch Wil konnte nicht verstehen, was das Elfenmädchen rief. Er hielt noch immer seinen Hammer umklammert, und in seinem Geist herrschte das Chaos. Crispin und die Elfen-Jäger waren nicht mehr. Die Kraft der Elfensteine war verloren. Amberle und er waren allein.
Weinend drückte sie sich an seine Schulter und flehte ihn an, diesen Ort zu verlassen. Jetzt erst wandte er sich ihr zu und zog sie an sich. Flüchtig war ihm, als höre er Allanons Stimme, die ihm sagte, daß der Druide sich vor allen anderen auf ihn, Wil Ohmsford, verlasse. Amberle fest an seiner Seite, verschwand er im Schutz des einsamen Turmes.
Kapitel 25
Sie brauchten die ganze Nacht, um aus dem Turm wieder herauszufinden. Beim flackernden Licht der Fackel, die Crispin in einem eisernen Halter neben dem Turmtor zurückgelassen hatte, durchwanderten sie eine scheinbar endlose Folge von Gängen und Treppenschächten, die sich durch den Fels des Berges stetig abwärtswanden. Zu Tode erschöpft von den Strapazen der vergangenen Tage, rannten sie stolpernd Hand in Hand durch die dunklen Gänge des uralten Steinturms. Sie sprachen nichts; sie hatten nichts zu sagen. Sie waren noch immer wie betäubt vor Schreck und Entsetzen über das, was geschehen war. Es beherrschte sie nur ein Gedanke - diesem Berg zu entfliehen.
Rasch verloren sie jegliches Zeitgefühl, und sie hätten nicht sagen können, ob sie nun Stunden oder gar schon Tage durch die Finsternis des Berges flohen. Sie hatten keine Vorstellung, wohin die Gänge sie führten. Sie vertrauten blind auf ihren Instinkt und auf das Glück, während sie in der verzweifelten Hoffnung durch das Labyrinth der Gänge irrten, daß sie irgendwo schließlich doch wieder an das Tageslicht gelangen müßten. Ihre Glieder schmerzten, und ihre Muskeln verkrampften sich, und ihnen schwindelte vor Müdigkeit. Die Fackel brannte herunter, und noch immer nahm der Irrgarten der Gänge kein Ende.
Doch dann standen sie unversehens vor einer wuchtigen Eisentür, die durch einen schweren Riegel gesichert war. Wil wollte ihn öffnen, als Amberle ihn am Arm faßte.
»Wil«, fragte sie ängstlich, und ihre Stimme war heiser vor Erschöpfung, »was tun wir, wenn da draußen auch Dämonen auf uns warten? Was tun wir, wenn der Raffer nicht allein war?«
Wil blickte sie schweigend an. Diese Möglichkeit hatte er bis jetzt nicht in Erwägung gezogen. Er hatte sich nicht gestattet, sie in Betracht zu ziehen. Er dachte zurück an alles, was ihnen seit dem Halt im Drey-Wald widerfahren war. Immer und überall gelang es den Dämonen, sie zu finden. Es hatte etwas Unausweichliches. Selbst wenn der Raffer vernichtet sein sollte, warteten andere Dämonen. Und der Spitzel in Arborlon hatte alles mitangehört.
»Wil?« Amberles Gesicht war voller Bangnis, während sie seine Antwort erwartete.
Er traf seine Entscheidung.
»Wir müssen es wagen. Es gibt keinen anderen Weg für uns.«
Behutsam streifte er ihre Hand von seinem Arm und schob Amberle hinter sich. Dann öffnete er vorsichtig den Riegel und zog die Tür auf. Dunstiges Tageslicht sickerte durch die Öffnung. Sie hörten das Plätschern des Flusses, dessen Wellen sachte gegen die Wände einer Grotte schlugen, in der sich der versteckte Anlegeplatz der Elfen befand. Nichts regte sich. Wil und Amberle tauschten flüchtig einen Blick. Wil ließ die Fackel auf den Grund des Tunnels fallen, wo ihr Feuer erlosch.
Der Pier und die Boote, die an ihm festgemacht waren, waren morsch und nicht mehr zu gebrauchen. Wil und Amberle liefen einen schmalen Sims in der Grotte entlang und gelangten schließlich an ein bewaldetes Flußufer am Fuß des Pykon. Nirgends war eine Seele zu sehen. Sie waren allein.
Gerade erst graute der Tag mit kaltem, silbernem Licht. An Bäumen und Büschen glitzerten zu Kristallen gefrorene Tautropfen, und das Land lag unter einem weißen Schleier von Rauhreif. Verwundert blickten sie sich um, sahen ihren eigenen Atem, der in Wölkchen vor ihren Gesichtern aufstieg, spürten die Kälte, die ihnen durch die Kleider hindurch in alle Glieder kroch. Laut gurgelnd strömte der Fluß zwischen den beiden Bergspitzen dahin, kaum sichtbar unter dem dichten Gespinst weißen Nebels. Dunkel und mächtig ragten die Zwillingstürme des Pykon in den Nebel hinein.
Unsicher blickte Wil sich um. Die Boote der Elfen, die in der Dunkelheit der Höhle versteckt waren, waren nur noch Wracks. Hier schien es nichts zu geben,
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