Shannara II
nickte. Die Sache war ihm gleichfalls nicht geheuer.
Eretria schwang sich auf Cephelos Pferd.
»Reiten wir ein Stück weiter«, sagte sie, doch in ihrem Ton schwangen Zweifel mit.
Seite an Seite ritten sie den Hügelkamm entlang, begleitet von dem gespenstischen Heulen des Windes, der durch Fels und Bäume pfiff. Über ihnen blitzten die Sterne und sandten ein mattes weißes Licht in die Finsternis des Wildewaldes.
Dann tauchte ein neuer Schatten aus der Düsternis auf, schwarz und kantig. Reglos stand er auf dem Pfad. Wil und Eretria zügelten ihre Pferde, ließen sie nur langsam und vorsichtig vorangehen. Allmählich nahm der Schatten Gestalt an. Es war Cephelos Wagen. Seine grellen Farben leuchteten fahl im Sternenlicht auf. Voller Unbehagen ritten Wil und Eretria näher, und da schlug ihr Unbehagen in Entsetzen um.
Das Pferdegespann, das den Wagen gezogen hatte, war tot, die Körper der Tiere, die noch in ihrem mit Silber beschlagenen Geschirr steckten, waren zerfetzt und verstümmelt. Andere Pferde lagen in der Nähe, und bei ihnen ihre Reiter, auf dem Pfad verstreut wie Strohpuppen, denen man sämtliche Glieder verrenkt hat. Die bunten Kleider waren getränkt von Blut, das durch den feinen Stoff sickerte und sich mit der schlammigen Erde vermischte.
Hastig sah Wil sich um, spähte in die finsteren Schatten des Waldes, suchte eine Spur des Wesens zu entdecken, das all dies angerichtet hatte. Nichts regte sich. Er sah Eretria an. Sie saß wie versteinert auf ihrem Pferd, und ihr Gesicht war bleich, während sie starr auf die Leichen auf dem Pfad blickte. Die Hände waren ihr schlaff in den Schoß gesunken, und die Zügel waren ihren Fingern entglitten.
Wil sprang vom Pferd, hob die herabgefallenen Zügel auf und wollte sie Eretria wieder in die Hand geben. Als diese keine Anstalten machte, sie zu ergreifen, umfaßte er ihre Hand und schob ihr die Zügel beider Pferde zwischen die Finger. Stumm blickte sie zu ihm hinunter.
»Warte hier«, befahl er.
Dann ging er zum Wagen, vorbei an den Toten, die grausam entstellt am Wege lagen. Alle waren sie tot, auch die alte Frau, die den Wagen gefahren hatte. Ihre Körper waren zerfetzt wie Lumpenbündel. Eisige Schauer schüttelten Wil. Er wußte, wer das getan hatte. Stumm hastete er von einer Leiche zur anderen, bis er Cephelo gefunden hatte. Auch er war tot, der waldgrüne Umhang zerrissen, das dunkle Gesicht zu einer Maske irren Entsetzens erstarrt.
Wil beugte sich zu ihm nieder. Langsam betastete er die Kleidung des Fahrensmannes. Er fand nichts. Furcht packte ihn. Er mußte die Steine finden! Da fiel sein Blick plötzlich auf die Hände Cephelos. Die Rechte war in einem Ausdruck unerträglichen Schmerzes in die Erde gekrallt. Die Linke war zur Faust geballt. Wil holte tief Atem und neigte sich über die linke Hand des Fahrensmannes. Einen um den anderen brach er die starren Finger auf. Blaues Licht schimmerte, und eine tiefe Erleichterung durchflutete den Talbewohner. Eingeschlossen in Cephelos Hand lagen die Elfensteine. Der Fahrensmann hatte sie gebrauchen wollen, wie er es im Tirfing bei Wil gesehen hatte; aber die Steine hatten auf ihn nicht angesprochen, und so war er gestorben.
Wil nahm die Steine aus der Hand des Toten, wischte sie an seinem Kittel ab und steckte sie in den kleinen Lederbeutel. Dann stand er auf und lauschte in das Heulen des Windes hinein, der über den Kamm fegte. Übelkeit drohte ihn zu übermannen, als der Geruch des Todes ihn umfing. Nur einer konnte dies Schreckliche angerichtet haben. Er erinnerte sich der toten Elfen im Drey-Wald und in der Festung am Pykon. Nur einer. Der Raffer. Doch wie hatte er sie wiedergefunden? Wie hatte er sie vom Pykon bis hierher in den Wildewald verfolgen können?
Er riß sich zusammen und eilte zu Eretria zurück. Sie saß noch immer wie erstarrt auf Cephelos Fuchs, Furcht und Entsetzen sprachen aus ihren Augen.
»Hast du ihn gefunden?« flüsterte sie.
Wil nickte. »Er ist tot. Sie alle sind tot.« Er schwieg betroffen. »Ich habe die Steine wieder an mich genommen.«
Sie schien ihn nicht zu hören.
»Wer kann so Grausames tun, Heiler? Ein Tier vielleicht? Oder die Hexenschwestern…?«
»Nein.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Eretria. Ich weiß, wer das getan hat. Das Ungeheuer, das hier gewütet hat, hat Amberle und mich von Arborlon aus verfolgt. Ich dachte, wir hätten es auf der anderen Seite vom Steinkamm abgeschüttelt, aber irgendwie ist es ihm gelungen, uns
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