Shannara II
Ohmsford die Hand mit dem Lederbeutel öffnete, ohne zu wissen, was er tat. Sie nickte andeutungsweise.
»Zeig sie mir«, wiederholte sie.
Unfähig zu widerstehen, schüttete Wil die Elfensteine aus dem Beutel in seine offene Hand. Blitzend und schimmernd lagen sie da. Mallenroh hielt den Atem an, und eine Hand näherte sich den Steinen.
»Elfensteine«, sagte sie leise. »Blau für den Suchenden.« Ihre Augen begegneten denen Wils. »Sollen sie dein Geschenk an mich sein?«
Wil versuchte zu sprechen, doch die Kälte in seinem Inneren lahmte ihn, und keine Worte kamen über seine Lippen. Er war nicht einmal imstande, seine Hand zurückzuziehen. Mallenrohs Augen blickten tief in die seinen; was er dort sah, entsetzte ihn. Sie wollte ihn wissen lassen, was sie ihm antun konnte.
Die Hexe trat zurück.
»Wisp«, rief sie.
Aus den Schatten kam ein kleines, buschig behaartes Geschöpf hervorgesprungen, einem Irrwisch ähnlich, mit dem Gesicht eines uralten Mannes. Der kleine Wicht dribbelte eilig zu Mallenroh hin und blickte diensteifrig zu dem kalten Gesicht auf.
»Ja, Dame. Wisp dient nur Euch.«
»Hier sind Geschenke…« Sie lächelte schwach, und ihre Stimme verlor sich in der Stille.
Stumm reichte sie Wisp die kleine Holzstatuette, die sie selbst zeigte, dann trat sie ein paar Schritte zur Seite und blieb wartend vor Hebel stehen. Wisp eilte ihr nach und kauerte sich in die Falten ihres Umhangs.
»Alter Mann«, sprach sie Hebel an, und ihr bleiches Gesicht neigte sich dem seinen entgegen. »Was soll ich mit dir tun?«
Hebel schien wieder zu klarem Verstand gekommen zu sein. Der Blick seiner Augen war nicht mehr geistesabwesend, als er die Hexe rasch ansah und dann wieder wegblickte.
»Mit mir? Ich weiß nicht.«
Ihr Lächeln war hart.
»Vielleicht solltest du hier in der Senke bleiben?«
»Es spielt keine Rolle«, erwiderte er, als spüre er irgendwie, daß die Hexe mit ihm ohnehin tun würde, wie ihr beliebte. Dann blickte er auf. »Aber die jungen Elfen, Mallenroh. Helft ihnen. Ihr könntet -«
»Ihnen helfen?« fiel sie ihm ins Wort.
Der alte Mann nickte. »Wenn Ihr wollt, daß ich bleibe, so werde ich es tun. Mich erwartet nichts mehr. Aber laßt die jungen Elfen gehen. Gebt ihnen die Hilfe, die sie brauchen.«
Sie lachte leise. »Vielleicht kannst du etwas tun, um ihnen zu helfen, alter Mann.«
»Aber ich habe schon alles getan, was ich kann…«
»Vielleicht nicht. Wenn ich dir sagte, daß du noch etwas tun kannst, wärst du dann bereit, es zu tun?«
Ihre Augen fixierten den alten Mann. Wil sah, daß die Hexe nur mit ihm spielte.
Hebel machte ein unsicheres Gesicht.
»Ich weiß nicht.«
»Natürlich weißt du es«, entgegnete sie mit gesenkter Stimme. »Sieh mich an.« Sie hob den Kopf. »Sie sind deine Freunde. Du willst ihnen doch helfen, nicht wahr?«
Wil war völlig verzweifelt. Irgend etwas Schreckliches war da im Gange, doch er konnte sich weder regen noch sprechen, um Hebel zu warnen. Flüchtig sah er Eretrias verängstigtes Gesicht. Auch sie witterte die Gefahr.
Auch Hebel spürte sie. Doch er spürte auch, daß er ihr nicht entrinnen könne. Sein Blick traf den der Hexe.
»Ich möchte ihnen helfen.«
Mallenroh nickte. »Dann sollst du es tun, Alter.«
Sie hob die Hand, um sein Gesicht zu berühren. In den Augen der Hexe sah Hebel, was aus ihm werden würde. Drifter fletschte plötzlich die Zähne und sprang auf, doch Hebel packte ihn und hielt ihn fest. Die Zeit des Widerstands war vorüber. Sachte streichelten die Finger der Hexe die bärtige Wange des alten Mannes, und sein ganzer Körper schien plötzlich zu erstarren. Nein! wollte Wil schreien, doch es war zu spät. Mallenrohs Umhang umfing Hebel und Drifter, und sie waren verschwunden. Einen Moment lang umhüllte sie der Umhang, dann fiel er wieder auseinander. Mallenroh stand allein. In der einen Hand hielt sie ein vollendet geschnitztes kleines Standbild des alten Mannes mit seinem Hund.
»Auf diese Weise hilfst du ihnen am meisten.« Sie lächelte kalt.
Sie reichte die kleine Figur an Wisp weiter, der sie an sich nahm. Dann wandte sie sich an Eretria. »So, und was soll ich nun mit dir anfangen, du Hübsche?« flüsterte sie.
Sie hob die Hand, und streckte einen Finger in die Höhe. Eretria wurde in die Knie gezwungen und senkte tief den Kopf. Die Finger winkten, und Eretria streckte der Hexe die Hände in einer Geste der Unterwerfung entgegen. Tränen rannen ihr über das Gesicht. Mallenroh betrachtete sie
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