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Shannara II

Titel: Shannara II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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Blutfeuers sahen die drei, die zurückgeblieben waren, einander wortlos an.

Kapitel 47
    Im nächsten Augenblick wurde Will Ohmsford gewahr, daß er Amberle nicht mehr sehen konnte. Zuerst zauderte er, da er glaubte, seine Augen spielten ihm Streiche, das Feuer verberge sie in seinem Spiel aus scharlachrotem Licht und zuckenden Schalten. Er glaubte, sie müsse immer noch dort auf dem Felssockel stehen, wo sie eben gestanden hatte. Doch wenn das zutraf, wie kam es dann, daß er sie nicht sehen konnte?
    Er wollte gerade zum Blutfeuer laufen, um sich Gewißheit zu verschaffen, da hörten sie alle drei den Schrei - schrill und schrecklich gellte er durch die Stille.
    »Wisp!« flüsterte Eretria voller Entsetzen.
    Sie war schon auf dem Weg zum Tunnel, als Wil sie einholte und rasch zurückriß zum Feuer. Hebel folgte ihnen, eine Hand in Drifters zottigem Fell. Der große Hund knurrte warnend.
    Dann vernahmen sie, wie etwas durch den Wasserfall glitt. Nicht Wisp, das wußte Wil. Dies war ein anderer; ein Wesen, das viel größer war als Wisp. Das war dem Geräusch zu entnehmen. Und wenn es nicht der kleine Irrwisch war, dann…
    Drifters Nackenhaare sträubten sich, und der Hund kauerte sich knurrend nieder.
    »Hinter mich!« Wil winkte Eretria und den alten Hebel zurück.
    Schon griff Wil unter seinen Kittel und riß den Beutel heraus, in dem die Elfensteine lagen. Während er bis zum Rand des Felssockels zurückwich, auf dem das Blutfeuer loderte, zog er den Beutel auf. Die Augen unverwandt auf den Eingang zur Höhle gerichtet, holte er die Elfensteine hervor.
    Es war der Raffer.
    Sein Schatten fiel düster in die Höhle, so lautlos wie der wandernde Mond. Der Raffer bewegte sich wie ein Mensch, doch er war größer und massiger als ein gewöhnlicher Sterblicher, ein gewaltiges, unheimliches Wesen, größer noch als Allanon. Nichts war von ihm zu sehen außer den Gewändern und der Kapuze von der Farbe feuchter Asche, die ihn völlig vermummten. Als er aus dem Gang in die Höhle glitt, übergoß ihn das brennend rote Licht des Feuers wie Blut.
    Eretrias Schreckensschrei durchschnitt die Stille. Von einer großen, grausamen Krallenhand hing der leblose kleine Körper Wisps herab.
    Augenblicklich zog Eretria den gekrümmten Dolch. Aus den schwarzen Schatten seiner Kapuze starrte der Raffer sie an, gesichtslos, ohne Erbarmen. Wil spürte die Eiseskälte, die ihn umgab, kälter noch als in jenem Augenblick, da er zum ersten Mal Mallenroh begegnet war. Er spürte das absolute Böse in der Gegenwart des Dämonen. Er dachte an seine Opfer, an die Elfenwachen im Drey-Wald, an Crispin, Dilph und Katsin auf dem Pykon, an Cephelo und die Fahrensleute am Heulekamm - alle waren sie von diesem Ungeheuer vernichtet worden. Und jetzt trachtete es ihnen nach dem Leben.
    Er begann zu zittern. Die Angst in ihm war so heftig, daß sie wie etwas Lebendiges war. Er konnte den Blick nicht von dem Dämon wenden, brachte es nicht fertig wegzusehen, obwohl alles in ihm danach schrie. Das Gesicht Eretrias, die an seiner Seite stand, war grau vor Entsetzen, und ihre dunklen Augen sahen immer wieder zu Wil hin. Hebel wich noch einen Schritt weiter zurück, und Drifters Knurren wurde zu einem angstvollen Winseln.
    Geschmeidig und lautlos wie ein Gespenst trat der Raffer durch die Öffnung in das Innere der Höhle. Wil Ohmsford nahm seine ganze Kraft zusammen. Er hob die Hand, die die Elfensteine hielt. Der Raffer verharrte. Die gesichtlose Kapuze hob sich ein wenig. Doch nicht Wil hatte den Raffer veranlaßt zu zögern. Das blutrote Feuer, das hinter ihm loderte, ließ das Ungeheuer zaudern. Etwas an diesem Feuer verwirrte und störte den Raffer. Reglos betrachtete der Dämon die blutroten Flammen, die aus der glatten Fläche des Felssockels züngelnd zur Decke der Höhle emporstiegen. Das Feuer schien nicht zu drohen. Es brannte ruhig, kühl, rauchlos und beständig, ohne Spuren zu hinterlassen. Noch einen Augenblick wartete der Raffer, um das Feuer aufmerksam zu betrachten. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.
    Die Träume fielen Wil Ohmsford in diesem Augenblick wieder ein, die Träume, die seinen Schlaf in Havenstead und später in der Festung auf dem Pykon heimgesucht hatten; die Träume von dem Ungeheuer, das ihm durch Nacht und Nebel nachjagte, und dem er nicht entkommen konnte. So wie damals im Schlaf überfielen ihn jetzt die Träume, und all die Gefühle, die ihn gequält hatten, wurden wiedergeboren, doch intensiver und

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