Shannara II
war Angst vor eben jener Sache, die sie beide schützen sollte, vor den Elfensteinen und der Wirkung, die ihre unerklärbare, ehrfurchtgebietende Kraft vielleicht auf ihn haben würde.
Jetzt verstand er. Nicht sein Menschenblut verwehrte ihm den Zugang zu der Macht der Steine. Vielmehr war es seine Angst vor dem Zauber.
Er selbst hatte sich das angetan. So entschlossen war er gewesen, die Aufgabe, die Allanon ihm übertragen hatte, zu bewältigen und sich ja von nichts an ihrer Durchführung hindern zu lassen, daß er seine Angst schon in dem Moment, als sie geboren wurde, in einem tiefen Brunnen eiserner Entschlossenheit vergraben hatte. Er hatte sich geweigert, ihre Existenz anzuerkennen, hatte sie statt dessen vor anderen und vor sich selbst verborgen gehalten. Doch eine Vereinigung von Herz, Geist und Körper konnte es nicht geben, solange solche Angst unerkannt in ihm wohnte. Er hatte sich eingeredet, daß der Widerstand gegen den Elfenzauber durch seine menschliche Seite hervorgerufen worden sei. Damit hatte er die Selbsttäuschung noch fester untermauert, und damit war es ihm hinfort unmöglich geworden, den Elfensteinen zu gebieten.
Bis zu diesem Augenblick. Jetzt begriff er die Natur der Schranke, die ihm das Tor zur Kraft der Elfensteine verschloß. Es war die Angst - und mit ihr konnte er vielleicht fertig werden.
Wieder tauchte er tief in sich ein, bewußt und entschlossen, um Herz, Geist und Körper, Bereitschaft, Gedankenkraft und Körperkraft, im Hinblick auf ein einziges Ziel zu vereinigen. Einfach war es nicht. Die Angst war immer noch da. Wie eine Mauer stand sie vor ihm auf, wollte ihn zurückdrängen, seine Entschlossenheit brechen. So stark war sie, daß Wil einen Moment lang glaubte, er könne es nicht bewirken.
Eine Gefahr lag in seinem Gebrauch der Elfensteine, eine Gefahr, die er weder sehen noch berühren, weder bestimmen noch begreifen konnte. Sie war da, wirklich und greifbar, und sie konnte Körper und Seele nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen. Sie konnte ihn vernichten. Schlimmer, sie konnte ihn am Leben lassen. Es gab Dinge, die schrecklicher waren als das Sterben…
Er kämpfte. Er dachte an seinen Großvater. Als Shea Ohmsford das Schwert von Shannara gebraucht hatte, hatte eine Gefahr gedroht, die der Talbewohner zwar gespürt, aber nicht verstanden hatte. Das hatte er Wil erzählt. Doch nur die Zauberkraft des Schwertes hatte Rettung bringen können, und sein Großvater hatte die einzig mögliche Entscheidung getroffen. Und so stand es jetzt auch um Wil. Er stand Auge in Auge mit einer Notwendigkeit, hinter der seine eigenen Bedürfnisse zurücktreten mußten. Ihm war eine besondere Waffe in die Hand gegeben; ihm war es gegeben, Leben zu retten, die kein anderer retten konnte.
Er stürzte sich tief in das blaue Licht der Elfensteine, und die Angst zerfloß vor ihm. Der Mensch wich dem Elf, und die gewaltige Kraft der Steine schoß in ihm empor.
Vergangenheit und Gegenwart rissen auseinander, und die Sekunden waren verflogen.
Eretria!
Der Raffer war in Bewegung, sprang lautlos durch die rote Glut des Blutfeuers auf das Mädchen zu. Wil hob die Elfensteine, und ihr Feuer schoß aus seinen Händen hervor. Es traf den Raffer mit solcher Gewalt, daß der Dämon gegen die Mauern der Höhle geschleudert wurde.
Kein Geräusch war zu hören, als der Raffer gegen die Mauer schlug, und seine Gewänder am Fels in sich zusammenfielen. Doch im nächsten Moment schon war der Dämon wieder auf den Beinen und wollte sich auf den Talbewohner stürzen. Nie hätte Wil es für möglich gehalten, daß ein so massiges Wesen so schnell und behende sein konnte. Noch bevor er sich’s versah, tauchte der Raffer mit krallenden Klauenhänden vor ihm auf. Wieder sprang das blaue Feuer aus den Elfensteinen und traf mit zuckendem Strahl den Dämon, so daß dieser erneut zurücktaumelte. Und wieder herrschte tiefste Stille. Wil spürte diesmal das Feuer in seinem Körper. Als wäre es sein Lebensblut, pulste es in ihm. Es war das gleiche Gefühl wie damals im Tirfing. Etwas war mit ihm geschehen - etwas, das nicht unbedingt wünschenswert war.
Doch es blieb keine Zeit, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. In einem lautlosen Angriff schoß die aschgraue Gestalt des Raffers durch das flackernde Zwielicht. Feuergarben aus den ausgestreckten Händen des Talbewohners, doch diesmal war der Raffer schneller. Er wich den züngelnden Flammen aus und stürmte weiter vor. Wieder versuchte Wil, ihn
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