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Shannara II

Titel: Shannara II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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beide - der Druide und der Ellcrys - auf jemanden gewirkt, der sie so gesehen hätte - zwei scharf umrissene schwarze Silhouetten vor dem mondhellen Sommerhimmel. Stumm stand der Mann vor dem verdorrten, kahlen Baum, wie versunken in geheime Gedanken, und sein Gesicht glich einer unbewegten Maske, die nichts von den Gefühlen verriet, die ihn vielleicht bewegten. Doch es würde niemand sie so sehen. Er hatte bestimmt, daß er und der Baum diese Nacht allein miteinander verbringen würden, daß keiner außer ihm Zeuge seines Todes werden sollte.
    Dann schritt er langsam weiter, und der Name des Baumes streifte flüsternd seinen Geist. Seine Zweige streckten sich nach ihm aus, ängstlich und drängend, und Allanon sandte rasch seinen Gedanken aus, um den Ellcrys zu trösten. Verzage nicht, beruhigte er ihn. Heute nachmittag, während die Schlacht um Arborlon mit schrecklicher Heftigkeit tobte, während die Elfen so tapfer kämpften, den Ansturm der Dämonen abzuwehren, geschah etwas Unerwartetes, was uns Hoffnung geben sollte. Weit, weit im Süden, in der Tiefe der Wildnis, wohin sich die Erwählte begeben hat, erweckte ihr Beschützer die Zauberkraft der Elfensteine zum Leben. Ich spürte es in dem Moment, als er es tat. Ich suchte ihn und berührte seinen Geist mit dem meinen - nur kurz, weil der Dagda Mor wahrnehmen konnte, was ich tat. Doch es genügte. Das Blutfeuer ist gefunden! Die Wiedergeburt kann immer noch vollbracht werden.
    Von Erwartungsfreude und Hoffnung getragen diese Gedanken aus ihm hervor. Doch nichts kam zurück. Schon bis in die Nähe des Todes geschwächt, hatte der Ellcrys die Gedanken des Druiden nicht wahrgenommen oder nicht verstanden. Da wurde Allanon klar, daß der Baum nur seine Gegenwart spürte, nur die Tatsache wahrnahm, daß man ihn in seinen letzten Stunden nicht allein ließ. Ganz gleich, was er jetzt sagte, es hatte keine Bedeutung mehr für den Ellcrys; der sah nur noch den verzweifelten, hoffnungslosen Kampf, seine Aufgabe zu erfüllen - zu leben und durch sein Leben das Volk der Elfen zu beschützen.
    Tiefe Traurigkeit überwältigte ihn. Er war zu spät gekommen.
    Seine Gedanken wurden still, denn er konnte jetzt nichts mehr tun für den Baum als an seiner Seite zu bleiben. Quälend langsam versickerte die Zeit. Hin und wieder erreichten Allanon flatternde Gedankenfetzen des Baumes, tropften wie Farbtupfer in seinen Geist, einige verloren sich in der Geschichte dessen, was gewesen war, andere erfüllt von Wünschen und Träumen für das Kommende, alle wirr und ohne Zusammenhang. Geduldig fing er die Gedanken ein und ließ den Baum wissen, daß er da war, daß er ihm lauschte. Geduldig nahm er Anteil an seinem Sterben und spürte die Kälte des nahenden Todes. Nur allzu beredt sprach sie ihm von seiner eigenen Sterblichkeit. Alles Lebendige, flüsterten die Vorboten des Todes, mußten den Weg gehen, den der Ellcrys nun angetreten hatte. Auch ein Druide.
    Eine Zeitlang dachte er über die Unausweichlichkeit seines eigenen Todes nach. Auch wenn er schlief, um sein Leben zu verlängern, weit, weit länger zu dehnen als das Leben gewöhnlicher Sterblicher, mußte dennoch auch er eines Tages sterben. Und wie der Baum war auch Allanon der letzte seiner Art. Ihm würden keine Druiden mehr nachfolgen. Wenn er tot war, wer würde dann die Geheimnisse bewahren, die seit den Tagen des Ersten Rats in Paranor weitergegeben worden waren? Wer würde dann die Zauberkräfte beherrschen, denen nur er hatte gebieten können? Wer würde dann der Hüter der Rassen sein?
    Er hob das dunkle Gesicht. War denn überhaupt noch Zeit, dachte er plötzlich, diesen Hüter zu finden?
    Mit lautlosem Schritt huschte die Nacht davon, und das bleiche Licht des Tages erhellte die Dunkelheit des östlichen Himmels. In den weiten Wäldern des Westlands begann sich das Leben zu regen. Allanon spürte, wie sich in der Berührung des Ellcrys etwas veränderte. Er entglitt ihm. Unverwandt blickte er auf den Baum, und seine Hände umfaßten den silbernen Stab so fest, als könne er so das Leben festhalten, das den Baum verlassen wollte.
    Der Morgenhimmel wurde hell; die Gedankenbilder flackerten immer seltener auf. Der Schmerz, der sich ihm übermittelt hatte, ließ nach und wurde durch ein seltsames Sichlösen verdrängt; langsam wurde durch dieses Sichlösen der Abstand zwischen ihnen größer. Im Osten schob sich die Sonne über den Horizont, und die Sterne der Nacht verblaßten.
    Dann versiegten die Gedankenbilder

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