Shannara III
hüpfte bis zum Rand der Kiefern.
»Laß dir von Großvater keine Angst einflößen«, riet Kimber, und ihr Koboldgesicht wirkte sehr besorgt, als sie Brins kummervollen Blick sah. »Der Finsterweiher kann dir nichts zuleide tun. Er ist nur ein Schatten.«
»Vielleicht sollte dich einer von uns begleiten«, schlug Rone beklommen vor, aber Kimber Boh schüttelte sogleich den Kopf.
»Der Finsterweiher spricht nur zu einer Einzelperson, niemals zu mehreren. Er wird sich gar nicht zeigen, wenn mehr als einer da ist.« Das Mädchen lächelte aufmunternd. »Brin muß alleine gehen.«
Brin nickte. »Ich schätze, damit ist diese Frage geklärt.«
»Denk an meine Warnung«, mahnte Kimber sie. »Sei vorsichtig mit dem, was er sagt. Vieles davon wird falsch oder verzerrt sein.«
»Aber woher soll ich wissen, was Wahrheit ist und was Lüge?« wollte Brin von ihr erfahren.
Kimber schüttelte noch einmal den Kopf. »Das wirst du selbst entscheiden müssen. Der Finsterweiher wird seine Spielchen mit dir treiben. Er wird dir erscheinen und zu dir sprechen. Er wird dich foppen. Das entspricht seiner Wesensart. Aber vielleicht beherrschst du diese Spielchen besser als er.« Sie faßte nach Brins Arm. »Aus diesem Grund denke ich auch, daß besser du mit ihm reden solltest als ich. Du besitzt die Zauberkraft. Benutze sie, wenn du kannst. Vielleicht findest du eine Möglichkeit, wie du dir das Wünschlied zunutze machen kannst.«
Coglines Gelächter ertönte vom Rand der kleinen Lichtung. Brin schenkte dem keine Beachtung, zog ihren Umhang fester um sich und nickte. »Vielleicht. Ich werde es versuchen.«
Kimber lächelte, daß sich ihr sommersprossiges Gesicht in Falten legte. Dann drückte sie das Talmädchen spontan an sich. »Viel Glück, Brin.«
Überrascht erwiderte Brin ihre Umarmung und führte eine Hand hoch, um über das lange, dunkle Haar zu streichen.
Rone trat etwas befangen hinzu und beugte sich herab, Brin einen Kuß zu geben. »Paß auf dich auf.«
Sie lächelte zum Versprechen, an seine Mahnung zu denken; dann raffte sie noch einmal den Mantel um sich, machte kehrt und verschwand zwischen den Bäumen.
Fast augenblicklich verschlangen sie Dunkelheit und Nebel so völlig, daß sie nach zehn Metern in dem Kiefernstreifen plötzlich die Orientierung verlor. Es geschah so schnell, daß sie noch weiterging, als ihr plötzlich auffiel, daß sie absolut nichts rings um sich her erkennen konnte. Darauf kamen ihr Zweifel, sie versuchte recht hoffnungslos, mit ihren Augen die Finsternis zu durchdringen, und wartete, daß sie sich an sie gewöhnten. Die Luft war wieder frisch geworden, und der Dunst vom See durchdrang ihre Kleider mit eisigem, feuchtem Griff. Es vergingen ein paar lange sorgenvolle Augenblicke, bis sie feststellte, daß sie vage die schlanken Umrisse der nächststehenden Kiefern wahrnehmen konnte, die im dahinziehenden Nebel wie Gespenster auftauchten und wieder verschwanden. Sie kam zu dem Schluß, daß die Sichtverhältnisse sich kaum mehr bessern würden. Sie verdrängte ihr Unbehagen und ihre Unsicherheit und ging vorsichtig weiter; mit ausgestreckten Händen erfühlte sie mehr den Weg durch die Bäume, der sich weiter zum See hinabwand, als daß sie ihn sah.
Die Minuten verstrichen, dann vernahm sie aus der Stille des Nebels und des Waldes das leise Plätschern von Wasser an einem Ufer. Sie verlangsamte ihren Schritt und spähte wachsam in den Dunst ringsum nach dem Wesen, das ihres Wissens nach auf sie wartete. Doch es war nichts zu sehen als graue Nebelschleier. Vorsichtig ging sie weiter.
Dann plötzlich wurden Bäume und Nebel lichter und teilten sich vor ihr, und sie stand an einem schmalen, steinigen Ufer mit Blick über die grauen Wasser des Sees, in dem sich die Wolken spiegelten. Die Oberfläche dehnte sich öde in den Dunst, Nebelschwaden hüllten sie ein und umschlossen sie…
Ein eisiger Hauch durchströmte sie, höhlte ihren Körper aus und ließ ihn als eisige Hülle zurück. Sie schaute sich schnell und furchtsam um. Was war da? Dann stieg heftiger, bitterer Zorn in ihr auf, der in seinem Streben nach Vergeltung eisenhart war. Ein Feuer brannte die Kälte aus, loderte in wilder Entschlossenheit hoch und vertrieb die Angst, die sie zu überwältigen drohte. Als sie so alleine eingehüllt in den Nebel am Ufer dieses kleinen Sees stand, fühlte sie, wie eine eigentümliche Kraft sie durchflutete, die, so schien es in diesem Augenblick, stark genug war, alles zu vernichten, was sie
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