Shannara III
tanzte wieder davon. Immer wieder tadelte Kimber Boh ihn für sein Benehmen mit einem knappen Wort hier und einem harten, mißbilligenden Blick dort. Das Mädchen empfand das Verhalten des Alten als töricht und peinlich. Doch das tat keine Wirkung auf den alten Mann, und er foppte und spöttelte weiter.
Es war ein eisengrauer, nebliger Herbsttag. Der Himmel hing voll dicker Wolkenbänke vom dunklen Streifen des Wolfsktaags im Westen bis zu den verblassenden Baumwipfeln im Osten. Ein kühles Windchen wehte vom Norden herab und brachte in seinem Gefolge Staub und sprödes Laub, die vorüberwirbelten und in Gesicht und Augen brannten. Die Farbe des Waldgebiets wirkte im Morgenlicht blaß und verbraucht, und die erste Spur des herannahenden Winters schien sich in ihrem grauen Hauch widerzuspiegeln.
Die kleine Gesellschaft zog vom Kamin nordwärts; Kimber Boh führte sie finster und entschlossen an; ihr folgten dicht hinterdrein Brin und Rone Leah. Der alte Cogline hüpfte unterwegs die ganze Zeit über um sie herum; und Wisper streifte in weiter Ferne durch das dunkle Dickicht der Bäume. Sie kamen unter dem Schatten des hoch aufragenden Felsens hindurch, der dem Tal seinen Namen gegeben hatte, und gelangten von den weiten, strauchlosen Lichtungen der geschützten Senke in die Wildnis dahinter. Reisig und Gebüsch erstickten schier den Wald, den sie durchquerten, mit einer dichten und undurchdringlichen Anhäufung von Gehölz. Als der Mittag näherrückte, kamen sie nur noch schleppend voran. Cogline flatterte nicht mehr wie ein aufgescheuchter Vogel um sie her, denn die Wildnis umschloß sie alle sehr eng. Sie bahnten sich ihren Weg sorgsam hintereinander. Nur Wisper streifte ungehindert umher und strich wie ein Schatten lautlos und geschmeidig durchs Unterholz.
Als es Mittag wurde, war das Gelände noch unzugänglicher geworden, und in der Ferne erhob sich eine dunkle Reihe von Kammlinien über die Bäume. Findlinge und schluchtenartige Abhänge zerteilten das Land, das sie durchwanderten, und ihr Weg führte nun über weite Strecken bergan. Als die Berggrate näherrückten, schirmten sie den Wind ab, und der Wald roch nach Fäulnis und Moder.
Dann endlich hatten sie einen langen, steilen Hohlweg hinter sich gebracht und standen auf dem Kamm zu einem schmalen Tal, das sich zwischen zwei hochragenden Gebirgsketten dahinschlängelte, die nordwärts verliefen, bis sie sich im Nebel verloren.
»Da.« Kimber deutete ins Tal hinab. Eine dichte Kieferngruppe umsäumte einen See, dessen Wasser nur zum Teil zwischen den in den Windböen umherziehenden Nebelschwaden zu erkennen war.
»Der Finsterweiher!« kicherte Cogline, strich leicht mit dem Finger über Brins Arm und huschte wieder davon.
Sie durchquerten ein Labyrinth von Kiefern, welche die zerklüfteten Hänge des Tals schier erdrückten, und stiegen im Zickzack weiter hinab zu der Stelle, wo der Nebel träge über den kleinen See zog. Hier schien sie kein Wind zu erreichen; die Luft war still geworden, Ruhe herrschte im Wald. Wisper war völlig verschwunden. Steinbrocken und Kiefernnadeln lagen über den Boden verstreut, und knirschten unter ihren zermalmenden Stiefeln. Obwohl noch Mittagszeit war, schirmten Wolken und Nebel das Licht so völlig ab, daß es den Anschein hatte, als bräche die nächtliche Dunkelheit herein. Während Brin Kimber Bohs schmaler Gestalt folgte, lauschte sie unwillkürlich in die Stille des Waldes und suchte in dem düsteren Licht nach irgendeinem Anzeichen von Leben. Und als sie so horchte und suchte, wuchs in ihr ein Gefühl der Beklommenheit. Da war tatsächlich irgend etwas - etwas Übles, das sich versteckt hielt. Sie konnte fühlen, wie es auf der Lauer lag.
Tief in dem Kiefernwald breitete sich der Nebel um sie. Sie zogen weiter. Als es ihnen vorkam, als verschwänden sie gleich völlig, traten sie plötzlich von den Bäumen auf eine kleine Lichtung, wo alte Steinbänke eine offene Feuergrube umstanden, deren verkohlte Holzscheite und Asche schwarz waren von Feuchtigkeit.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung verlor sich ein zerfurchter Weg im Nebel.
Kimber drehte sich zu Brin um. »Von hier an mußt du alleine weitergehen. Folge dem Pfad bis ans Ufer des Sees. Dort wird der Finsterweiher zu dir kommen.«
»Und flüstert dir Geheimnisse ins Ohr!« gluckste Cogline, der sich neben ihr zu Boden kauerte.
»Großvater!« mahnte das Mädchen.
»Dichtung und Wahrheit, aber was ist was?« krächzte Cogline trotzig und
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