Shannara III
fühlen, was sie wünschte, und ihn begreifen, was sie tun mußte. Als sie fertig war, beugte sie sich vor und drückte die große Katze einen Augenblick lang fest an sich, grub ihr Gesicht ins rauhe Fell und fühlte, wie die Wärme des Tieres in sie floß und ihr neue Kraft verlieh.
Sie stand auf und trat zurück. Langsam ließ Wisper sich auf seine Hinterläufe und Vorderpfoten nieder, bis er ausgestreckt vor ihr lag. Sie nickte und lächelte. Er überwachte ihren Abstieg. Er würde sich so verhalten, wie sie es wünschte.
»Leb wohl, Wisper«, sagte sie zu ihm und trat auf den Croagh.
Der Gestank, der aus dem Abgrund hinter ihr aufgestiegen war, wehte ihr erneut aus den dampfenden Tiefen des Tales unter ihr entgegen. Sie beachtete ihn nicht und ließ den Blick einen Moment lang über die Klippen zu der Stelle schweifen, wo die Sonne den Horizont erhellte. Dann mußte sie an Allanon denken und fragte sich, ob er sie jetzt sah - ob er vielleicht auf irgendeine Weise bei ihr sein konnte.
Schließlich atmete sie tief ein, um sich zu fangen, und machte sich an den Abstieg.
Kapitel 41
Wie ein Mann stürzten sich die sechs, die von Culhaven gekommen waren, aus dem Schutz der Turmtür und rasten auf den Innenhof dahinter. Rund um sie her erschallten Alarmschreie, und weitere Gnomen strömten aus allen Richtungen herbei.
Inmitten des Chaos verfolgte Jair seltsam unbeteiligt, wie der Kampf sich entwickelte. Die Zeit zerfiel in Bruchteile, und ihm entglitt alles Realitätsgefühl. Dicht umringt von seinen Freunden, die ihn zu schützen trachteten, schwebte er schweigend und flüchtig als Geist, den keiner sehen konnte, in ihrer Mitte. Erde, Himmel und die ganze Welt jenseits dieser Mauern existierten nicht mehr zusammen mit allem, was jemals gewesen war oder jemals sein würde. Es gab nur das Jetzt und die Gesichter und Gestalten jener, die in diesem Innenhof kämpften und starben.
Garet Jax leitete den Angriff und schoß schnell und geschmeidig zwischen den Gnomen, die ihm den Weg versperren wollten, hindurch und tötete sie. Er glich einem schwarz gekleideten Tänzer, ganz Grazie, Kraft und scheinbar mühelose Bewegung. Gnomen-Jäger, aus zahllosen Schlachten vernarbt und zermürbt, warfen sich ihm wild entschlossen entgegen, und ihre Waffen hackten und hieben mit todbringender Kraft. Doch genauso hätten sie versuchen können, Quecksilber aufzuhalten. Keiner konnte Hand an den Waffenmeister legen, und die sich nahe genug heranwagten, es zu versuchen, erkannten ihn als den schwarzen Schatten des Todes, der gekommen war, ihr Leben zu fordern.
Die anderen der Gruppe kämpften an seiner Seite und waren dabei keinen Deut weniger entschlossen, nur einen Hauch weniger todbringend. Foraker deckte seine eine Seite, und das schwarzbärtige Gesicht des Zwergs war grimmig, als er die große Doppelaxt schwenkte und die Angreifer mit bestürztem Geschrei davonliefen. Edain Elessedil flankierte ihn auf der anderen Seite, wo ein schlankes Schwert blitzschnell wie eine Schlange zustieß und ein langes Messer Gegenangriffe parierte. Spinkser hielt sich dicht hinter ihnen allen mit gezückten Langmessern und qualvollem Ausdruck in den schwarzen Augen. Helt bildete die Nachhut als riesenhafter Schild; sein verwundetes Gesicht blutete wieder und war schrecklich anzuschauen. Eine große Pike, die er einem Angreifer entrissen hatte, stieß und hieb nach allen, die sich an ihm vorbeidrängen wollten.
Ein seltsames Hochgefühl durchströmte Jair. Es war, als könnte nichts sie aufhalten.
Wurfgeschosse sausten aus allen Richtungen vorbei, und die Schreie der Verwundeten und Sterbenden erfüllten den grauen Nachmittag. Sie hatten nun die Mitte des Innenhofs erreicht, und die Burgmauer ragte vor ihnen in die Höhe. Dann traf ein plötzlicher Hieb den Talbewohner, daß er unter der Wucht ins Wanken geriet. Benommen schaute er hinab und sah eine Pfeilspitze wie einen Haken aus seiner Schulter ragen. Von der Wunde durchströmte Schmerz seinen Körper, und er erstarrte. Spinkser sah ihn stolpern, war sogleich neben ihm, schlang die Arme um seine Taille und zerrte ihn hinter den anderen her. Helt brüllte vor Zorn auf und drosch mit der langen Pike auf die Gnomen ein, die herbeistürmten, sie zu ergreifen. Jair preßte die Augen gegen den Schmerz zusammen. Er war verletzt, dachte er ungläubig, als er unter Spinksers Geleit weiterwankte.
Vor ihnen tauchte hoch das Fallgatter auf. Gnomen befanden sich jetzt darunter, rannten wild umher und
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