Shannara III
eine Erscheinung, aus der alle Farbe gewichen war und deren zierlicher Körper sich gebückt und knochendürr ins Dunkel drängte. Entsetzen erfüllte Jair. Was hatte man ihr angetan?
»Brin?« rief er noch einmal mit versagender Stimme.
Eingehüllt in die furchteinflößende Macht des Ildatch-Zaubers, der in sie strömte, um sich mit ihrer Magie zu vermischen, wurde Brin kaum der einsamen Gestalt gewahr, die da auf der anderen Seite des Turmzimmers stand. Jair rief nach ihr - ein leises, vertrautes Rufen. Sie kämpfte sich einen Augenblick durch die Schichten von Magie, die sie umschlangen, zu ihrer Vernunft vor, die sich tief in ihr Innerstes geflüchtet hatte, und die Erinnerung kehrte zurück. Jair! Ach, gütige Geister - es war Jair!
Doch die schwarze Magie straffte sich und zerrte sie zurück. Die Macht durchströmte sie, spülte alles Wiedererkennen der Person, die ihr gegenüberstand, fort und machte Brin wieder zu der Kreatur, zu der sie sich hatte werden lassen. Zweifel und Mißtrauen durchzuckten sie, und die ausdruckslose Stimme des Ildatch flüsterte ihr eine Warnung zu.
- Er ist böse, Kind der Finsternis. Eine Täuschung, der die Mordgeister Leben verliehen haben. Halte ihn dir fern. Vernichte ihn -
Nein, es ist Jair… irgendwie ist er gekommen… Jair…
- Er will dir deine Macht stehlen. Er will uns töten -
Nein, Jair… ist gekommen…
- Zerstöre ihn, Kind der Finsternis. Zerstöre ihn -
Sie kam offenbar nicht gegen sich an. Ihr Widerstand zerbrach, ihre Stimme erhob sich zu einem furchterregenden Klagen. Doch Jair hatte den plötzlichen, haßerfüllten Ausdruck im Gesicht seiner Schwester gesehen und sich bereits in Bewegung gesetzt. Er sang, auf daß seine eigene Magie ihn beschützte, als er aus sich heraustrat und nur ein Abbild zurückließ. Selbst damit konnte er ihr kaum entkommen. Der Ausbruch von Lauten, die über Brins Lippen kamen, löste das Bild auf, sogleich erbebte die Wand dahinter von der Nachwirkung und schleuderte ihn wie einen leeren Sack auf den Steinboden. Staub und Sand wirbelten durchs Dämmerlicht, und der alte Turm zitterte von der Wucht des Angriffs.
Langsam kroch Jair wieder auf die Knie und duckte sich in den Schleier von Trümmerstückchen, der in der Luft hing. Einen Augenblick lang wankte seine Gewißheit, daß er den dritten Zauber klug eingesetzt hatte. Als er Brin in den Wassern des Himmelsbrunnen erblickt hatte, war es ihm so klar erschienen. Er hatte gewußt, daß er zur ihr gehen mußte. Aber was sollte er jetzt, da er bei ihr war, nur tun? Sie hatte sich von ihrem wahren Ich abgekehrt, wie der König vom Silberfluß es vorhergesagt hatte. Sie war nicht wiederzuerkennen, wie die schwarze Magie des Ildatch sie entstellt hatte. Doch es war mehr als das, denn sie hatte nicht nur sich verändert, sondern auch der Zauber ihres Wünschliedes war ein anderer geworden. Es hatte sich zu einem Ding von furchterregender Macht entwickelt, zu einer Waffe, die sie gegen ihn einsetzen wollte, da sie nicht wußte, wer er war, und sich nicht im geringsten an ihn erinnern konnte. Wie sollte er ihr helfen, wenn sie ihn auslöschen wollte?
Ihm blieb nur ein Augenblick Zeit, das Dilemma abzuwägen. Er kam wieder auf die Beine. Allanon hätte vielleicht die Kraft gehabt, solcher Macht zu widerstehen. Rone wäre vielleicht schnell genug, ihr zu entkommen. Die kleine Gruppe aus Culhaven wäre vielleicht zahlenmäßig stark genug gewesen, sie zu überwinden. Aber sie waren von ihm gegangen. Alle, die ihm hätten beistehen können, waren nicht mehr am Leben. Welche Hilfe er auch mobilisieren könnte, er würde sie in sich selbst finden müssen.
Rasch schlüpfte er durch den Schleier von Dunst und Staub. Er wußte, wenn er Brin irgendwie nützlich sein wollte, müßte er sie zuerst von dem Ildatch losreißen.
Die Luft vor ihm klärte sich, zehn Meter entfernt tauchte Brins dunkle Gestalt auf. Sofort begann er zu singen; das Wünschlied erfüllte die Stille mit laut summendem Klang und vermittelte mit seiner Melodie eine geflüsterte Bitte. Brin, rief es. Das Buch ist zu schwer, sein Gewicht zu groß. Laß es los, Brin. Laß es fallen!
Für eine kurze Sekunde fielen Brins Hände herab, und sie senkte zweifelnd den Kopf. Es hatte den Anschein, als würde die Illusion funktionieren und sie ließe den Ildatch los. Dann schoß Raserei durch ihr hageres Gesicht und der Schrei des Wünschliedes zerschlug die Luft in Geräuschintervallen, die Jairs Trugbild zerschmetterten.
Der
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